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San Francisco - Flowers in Your Hair

Aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten

Mai / Juni 2011

Die Golden Gate Bridge

Die Golden Gate Bridge

Die Stadt San Francisco hat jede Menge Wahrzeichen, die es mit Leichtigkeit schaffen, die Titel unzähliger Reiseführer, Bücher und Bildbände zu zieren. Da erhebt sich die berühmte Golden Gate Bridge und schwebt in 67 Meter Höhe fünf Kilometer über dem Wasser. Die nicht weniger berühmte Cable Car rumpelt gut gefüllt mit Touristen über die teilweise stark aufsteigenden und wieder abfallenden Straßen. Ganz erhaben stehen die viktorianischen Häuser mit ihren Türmchen und kleinen Säulen in den Giebelfenstern und künden davon, dass die Stadt im 19. Jahrhundert eines der großen Einfallstore in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten weit geöffnet hatte.

Der geschenkte Coit-Turm

Der Coit Tower auf dem Telegraphenberg, obwohl 64 Meter hoch, steht scheinbar nur in der zweiten Reihe illustrer Wahrzeichen. Doch der Turm hat nicht nur eine wunderbare Aussicht auf große Teile der Stadt, auf die Golden Gate Bridge und die Bucht. Er erzählt auch eine spannende und überraschende Geschichte einer bemerkenswerten Frau.

Cable Car Drehbühne an der Endhaltestelle Powell-Market-Street

Cable Car Drehbühne an der Endhaltestelle Powell-Market-Street

Der Coit-Turm auf dem Telegraphenberg

Der Coit Tower auf dem Telegraphenberg

Lillie Hitchcock Coit kam Mitte des 19. Jahrhunderts als kleines Mädchen mit ihrer Familie nach San Francisco und hat diese Stadt für immer in ihr Herz geschlossen. Das änderte sich auch nicht, als sie durch Heirat ein kleines Vermögen erwarb und in ihrem späteren egozentrischen Leben Männerkleidung trug und Zigarren rauchte. Als großer Fan der Feuerwache Knickerbocker Hose Company No. 5 begleitete sie deren Einsätze, spielte mit ihnen Poker und trank dazu Bourbon Whiskey. Als sie 1929 im Alter von 86 Jahren starb, vermachte sie San Francisco die Summe von 125.000 Dollar „zu dem Zweck, die Schönheit der Stadt, die sie immer geliebt hat, noch zu mehren.“ Der Architekt Arthur Brown errichtete einen Turm in Form einer klassischen Säule. Eine Treppe und ein Aufzug führen zur Besucherplattform.

Im Erdgeschoss des Turms kommt der Besucher aus dem Staunen nicht heraus. Die Wände sind mit überdimensionalen Gemälden bedeckt. Ist dies schon ungewöhnlich, ist es erst recht der Inhalt der Bilder. Insgesamt 25 bekannte Künstler aus der Region schufen diese Fresken. Sie fühlten sich dem sozialkritischen Realismus verpflichtet und malten im Stil des mexikanischen Wandmalers Diego Rivera, viele von ihnen waren Schüler Riveras. So hat es den Anschein, als ob die Wandmalerei nur von der Hand eines Künstlers stammt. 

Bild "Library" von Bernard Zakheim

Bild "Library" von Bernard Zakheim
Bild "City Life" von Victor Arnautoff

Bild "City Life" von Victor Arnautoff

Bild "Department Store" von Frede Vidar (li.) und "Banking and Law" von George Harris

Ihre insgesamt 19 Bild-Motive spiegeln den Alltag mitten in der Wirtschaftskrise der 30er Jahre in den USA wider. Da werden Unternehmen, Bergwerke, Banken und Kaufhäuser gezeigt und der schroffe Unterschied zwischen der gut betuchten und der besitzlosen Klasse deutlich.

In dem Gemälde „Library“ von Bernard Zakheim porträtiert er sich und einige seiner Malerkollegen in einer Bibliothek. Er selbst liest ein hebräisches Buch, sein Künstlerkollege John Langley Howard greift zu einem Band vom „Das Kapital“ von Karl Marx, so als finde er darin Antworten, um die Krise zu überwinden, Ralph Stackpole lernt gerade, dass die Rivera Wandmalerei am Rockefeller Zentrum in New York zerstört wurde und Beniamino Bufano liest über die von ihm vorgeschlagene St. Francis-Statue. Auf einem anderen Bild liest ein Mann die kommunistische Zeitung der USA, den Daily Worker.

Bild "Department Store" von Frede Vidar (li.) und "Banking and Law" von George Harris

Das gesamte Wandgemäldeprojekt kostete nur 26.022 Dollar, die vollständig aus Bundesmitteln im Rahmen des Public Works of Art Project finanziert wurden. Die Stadt San Francisco zahlte nichts und erhielt die Wandmalereien kostenlos. Die einzelnen Künstler des Coit Tower erhielten für das Wandmalereiprojekt einen Stundenlohn von etwa einem Dollar - jeder Künstler verdiente im Durchschnitt 639 Dollar für die Schaffung dieser historischen Kunstwerke - und sie stellten die Arbeit innerhalb des Budgets und des Zeitplans von sechs Monaten fertig.

Es kommt bei Eröffnung des Turms zu heftigen Kontroversen über die Wandmalerei, so wird berichtet. Aber die Wandmalerei hat sich auch in der antikommunistischen Hysterie der 50er Jahre behauptet als ein anderes Amerika.

Im Redwood-Urwald bei den Mammutbäumen

Die Stadt San Francisco ist umringt von wunderbaren Ausflugszielen. Da liegt im Süden das berühmte Silicon Valley, an deren Hängen sich früher endlos Obstplantagen hinzogen und die Halbinsel Monterey. Im Nordosten beginnt im Napa Valley das Weinland Kalifornien. Und im Norden, nur etwa 20 Kilometer von San Francisco entfernt, erreicht man mit einem Kleinbus per Tagestour oder Mietwagen auf kurvenreichen und steilen Straßen den Naturpark Muir Woods. 

Muir Woods ist als National Monument eingestuft und gehört zu den 390 Parks im amerikanischen National Park System. Bei dem Naturpark handelt sich um einen Redwood-Urwald aus Mammut-Bäumen mit einem Alter von 1000 Jahren und mehr. Dem Redwood ähnliche Bäume bedeckten vor 150 Millionen Jahren einen großen Teil der nördlichen Hemisphäre. Im Park sind die Überreste der alten Küsten-Mammutbäume erhalten, die vor dem 19. Jahrhundert noch viele nordkalifornische Küstentäler bedeckten.

Im Muir Woods National Monument
Redwood - Küsten-Mammut-Bäume 

Im Muir Woods National Monument

Redwood - Küsten-Mammut-Bäume 

Der 227 Hektar große Muir Wood ist das ganze Jahr von 8 Uhr morgens bis Sonnenuntergang geöffnet. Trotz großen Besucherandranges bieten die 10 Kilometer langen Spazierwege ausreichend Platz für alle. Überall wachsen Farne und der kleine Fluss Redwood Creek führt entlang der Wanderwege. Durch vier Brücken über den Fluss entstehen Rundwanderwege. Die gigantischen Bäume, neben dem Redwood auch die Riesen-Sequoia, mit ihrer bis zu 30 Zentimeter dicken Rinde bieten ein imposantes Bild. Im „Bohemian“ und „Cathedral“ Hain stehen mit 76 Meter Höhe und vier Meter Durchmesser die größten Bäume des Parks. 

Im Muir Woods Park

Im Muir Woods Park

Die Einrichtung des Parks, des besten Denkmals für Baumliebhaber, geht auf eine private Initiative zurück. Der Unternehmer-Familie William Kent und dem damals schon berühmten Naturschützer John Muir gelang es, die Mammutbäume dauerhaft zu schützen, indem man sie der Bundesregierung der Vereinigten Staaten übereignete. Jährlich finden eine Million Besucher hierher. Aber sie können im Park nicht allein die Mammutbäume bestaunen. Vielmehr wird hier anschaulich gezeigt, was für vorzeigbare Werte in der Gesellschaft entstehen, wenn die Macht des Geldes von Sponsoren sich mit kompetenter Ökologie und Naturschutz sowie Regierungspolitik verbündet.

Knast überfüllt mit Touristen

Die Nationalparkverwaltung hat neben Muir Woods auch die berühmte Gefängnisinsel für Schwerstverbrecher Alcatraz, nur zwei Kilometer von San Franciscos Pier 33 entfernt, unter ihre Fittiche genommen. Im Jahr 1963 stiegen die letzten Gefangenen auf die Fähre, die jetzt alle halbe Stunde 300 Touristen übersetzt. Damals wie heute ist der Knast überfüllt und wird für das Publikum aus aller Welt erhalten. Ein moderner gut gemachter Audio-Guide erzählt aus Sicht von vier Wärtern und Insassen über prominente Häftlinge wie Al Capone.

Die ehemalige Gefängnisinsel Alcatraz

Die ehemalige Gefängnisinsel Alcatraz

Alcatraz

Alcatraz

Alcatraz Gefängniszelle

Alcatraz Gefängniszelle

In der früheren Hippie-Hauptstadt Haight-Ashbury

Nicht so gut getroffen hat es das legendäre Viertel Haight Ashbury. Die Gegend war schon einmal von einem Niedergang betroffen. Dann zog es die Hippies hierher, es entstand ein Zentrum der städtischen Gegenkultur. In der Nachbarschaft zum Golden Gate Park, der noch heute die „schönste Oase“ der Stadt bildet, mauserte sich das Viertel in den 60er Jahren sogar zur inoffiziellen Hauptstadt der Hippie-Bewegung.

In der Haight Street

In der Haight Street

Blick vom Buena Vista Park

Blick vom Buena Vista Park

Auch wenn heute Reiseführer Fußwege durch das Viertel mit einigen seiner viktorianischen Häuser anpreisen, wird dem Besucher schmerzlich bewusst: Von dem viel beschworenen Flair der Flower-Power- und Friedens-Bewegung ist wenig geblieben.

Es gibt in der Haight Street zwar noch Drugstore-Cafes, aber insgesamt wirkt an diesem sonnigen Vormittag alles eher ärmlich und verschlissen. Und selbst einige T-Shirts mit den Aufdrucken der Anti-Atomwaffen-Bewegung hängen traurig und scheinbar unmodern in einigen Bekleidungsläden herum.

 

Ein Pfad führt auf die Spitze des Hügels vom Buena Vista Park, der an einigen wenigen Stellen eine unerwartet gute Sicht auf die Golden Gate Bridge eröffnet.

Victorianische Häuser im Stadtviertel Haight Ashbury

Victorianische Häuser im Stadtviertel Haight Ashbury

Die letzte Woche im Mai fegt durch San Francisco ein kalter Wind. Ich denke an den Spruch des amerikanischen Komikers Fields über Kalifornien, es sei der einzige Bundesstaat, in dem man unter einem blühenden Rosenstrauch einschlafen und sich dabei zu Tode frieren kann. An den Straßenecken stehen einzelne Männer und Frauen. Sie wirken verschreckt und eingeschüchtert. Die meisten haben ein Pappschild in der Hand. Darauf steht in krakeliger Schrift gut lesbar „I`m hungry“ und „homeless“.

Blick von den Twin Peaks auf San Francisco

Blick von den Twin Peaks auf San Francisco

Aufrührerisches im Yerba Buena Garden

Im Museum für Moderne Kunst in San Francisco, dem San Francisco MoMA, ist die Bildersammlung der Geschwister Stein zu sehen. Sie enthält viele frühe Werke der Künstler Matisse und Picasso, die von ihnen in ihren Pariser Jahren stark gefördert und bekannt gemacht wurden. Damals erwarben Gertrude und Leo Stein auch eine große Menge von Bildern. Beeindruckend sind Fotos aus jener Zeit aus den privaten Räumen der Familie Stein. Auf den Aufnahmen der Pariser Wohnungen sind die Wände dicht an dicht mit Kunstwerken bedeckt, die heute viele hundert Millionen Euro wert sind.

Das Museum für Moderne Kunst San Francisco

Das Museum für Moderne Kunst San Francisco

Welcher Gegensatz von dieser kreativen Weltkunst zu den Werken moderner Kunst, die in anderen Etagen ausgestellt ist, wo man sich mitunter schon die Frage nach der Daseinsberechtigung einiger Werke in einem solchen illustren Museum stellt. Wohltuende Ausnahmen sind da ein Bild von Frieda Kahlo sowie Bilder von Diego Rivera.

Im Yerba Buena Garden neben dem Museumsbau ist mit einer Liegewiese und einem kleinen Wasserfall Idylle spürbar. Sie wird konterkariert durch in Stein gemeißelte Worte des Aufruhrs: „These are revolutionary times. All over the globe man revolting against old systems of exploitation and oppression; and out of the wombs of a frail world, new systems of justice and equality are being born. The shirtless and barefoot people of the land are raising up as never before.”

Der Yerba Buena Garden

Der Yerba Buena Garden

Oder:  "Men for years have been talking about war and peace. But now, no longer can they just talk about it. It is no longer the choice between violence and non-violence in this world. It's non-violence or non-existence."

Doch niemand muss Sorge haben, dass sich hier ein aufrührerischer Autor, ein Kommunist oder Terrorist, eingeschlichen hat. Der Autor ist im Jahr 1968 in Memphis erschossen worden. Es ist die Gedenkstätte für Martin Luther King mit einer Reihe seiner Zitate.

Foto von Martin Luther King aus der Gedenkstätte

Foto von Martin Luther King aus der Gedenkstätte

Die Golden Gate Bridge bei Sonnenuntergang

Die Golden Gate Bridge bei Sonnenuntergang

Bildergalerie von San Francisco

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