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  • Ronald Keusch

Prager Sinfoniker in Stechau

Eindrucksvolles Open-Air-Konzert im Rahmen der Brandenburgischen Sommerkonzerte 2019

Open-Air-Konzert vor der imposanten Kulisse des Schlosses Stechau

Wenn es eines Beweises bedurfte, wie anziehend und ambitioniert die Brandenburger Sommerkonzerte in ihrer 29. Saison sind, dann wurde er einmal mehr eindrucksvoll in der kleinen Gemeinde von Stechau erbracht. Seit vielen Jahren ist hier der knapp acht Hektar große behutsam renovierte Schlosspark, der zu einem ehemaligen Rittergut gehört, eine wunderschöne Kulisse für einen Abend mit klassischer Musik. Der weitläufige Park lud auch einige Besucher dazu ein, auf mitgebrachten Stühlen und Decken und mit einem Imbisskorb im Gepäck der Musik zu lauschen. Ein bisschen Waldbühnen-Flair auf dem Rasen in der Elbe-Elster-Region. In diesem Jahr hatten Musiker der Extraklasse ihren Auftritt: das Sinfonische Orchester Prag, in dem unter dem Chefdirigenten Stefan Britvik ausschließlich Musiker der großen Prager Orchester spielen. Ihr diesjähriges Musikprogramm war ein weiterer Magnet für die Zuschauer. Es kamen 2400 Konzertgäste, Besucherrekord, eine Zahl, die schon mit großen Konzerthäusern mithalten kann.


Waldbühnenflair in Stechau

Am Anfang des Programms stand die Musik des tschechischen Komponisten der Romantik, Bedrich Smetana mit drei Teilen aus dem sinfonischen Zyklus „Mein Vaterland“. Viele Zuhörer erwarteten hier mit Spannung den populärsten Teil des Zyklus „Die Moldau“. In dieser im besten Sinne tonmalerischen Komposition kann der Zuhörer den Flusslauf der Moldau von seinen Quellen durch die schöne heimatliche Landschaft Böhmens verfolgen, vorbei an einer Jagdgesellschaft, einer Bauernhochzeit, dem nächtlichen Reigen der Nymphen, durch die Stromschnellen von St. Johann, um schließlich majestätisch Prag mit der Burg Vysehrad zu erreichen. Und damit führt dann die Moldau als Fluss auch musikalisch zur der im Süden Prags gelegenen Zitadelle, in dem sie das Hauptthema aus dem grade zuvor verklungenen weniger gespielten Teils der sinfonischen Dichtung „Vysehrad“ aufgreift. Das Hauptthema der Moldau ist wohl eine der berühmtesten Melodien der klassischen Musik überhaupt. Es ist eine Adaption eines Madrigals aus der Zeit um 1600 namens La Mantovana, ebenso in Moll gehalten wie das Original, und nicht des Kinderliedes „Alle meine Entchen“, wie der Moderator des Abends Peter Claus vom rbb Kulturradio, dem Publikum weismachen wollte. La Mantovana war zu Smetanas Zeiten sehr populär und hat viele Komponisten von Liedern und Tänzen inspiriert. Zum Beispiel greift der jüdische Immigrant Samuel Cohen im 19. Jahrhundert eine rumänische Version des Liedes für seine Hymne „Hatikvah“ („Die Hoffnung“) auf, der heutigen Nationalhymne Israels.


Es hat sicher manchen der Zuhörer angenehm überrascht, dass auch die beiden weniger bekannten Teile aus „Mein Vaterland“, „Vysehrad“ und „Sarka“, der „Moldau“ in Bezug auf Originalität und Einzigartigkeit in nichts nachstehen. Das macht Lust darauf, auch in Deutschland den gesamten Ton-Zyklus mit all seinen sechs Teilen in einem Konzert erleben zu können. Das Festival „Prager Frühling“ in unserem Nachbarland macht das vor: Es wird seit 1959 jedes Jahr am Todestag von Smetana mit „Mein Heimatland" feierlich eröffnet.

Das Sinfonische Orchester Prag unter Leitung von Stefan Britvik

Nach der Pause standen zwei weitere musikalische Leckerbissen auf dem Programm, die ähnlich wie das Moldau-Thema durchaus das Prädikat „klassische Ohrwürmer“ verdienen. Die Prager Musiker präsentierten eine nicht oft gespielte Klassik-Variante des Musical-Welterfolgs von Leonard Bernstein „West Side Story“ und den Evergreen jedes Klassik-Programms „Ein Amerikaner in Paris“ von George Gershwin. Für Musikliebhaber lieferte Bernstein Anfang der 60er Jahre neben der Film-Adaption seines Musicals eine wunderbare sinfonische Arbeit mit dem Titel: „Symphonic Dances from West Side Story“. Alle seine weltbekannten Titel wie „Maria“, „Tonight“ oder „Somewhere“ haben hier ihren Platz und der Grundzug des Musicals mit seinen Anleihen beim Jazz wurde von Bernstein mit viel Feingefühl und Raffinesse für das klassische Orchester instrumentiert. Die Nähe der sinfonischen Musik von Bernstein zu Gershwins „Ein Amerikaner in Paris“ ist unüberhörbar. Die Elemente des Jazz und der melancholische Blues lassen Gershwins Musik sehr modern erscheinen. So mag man es kaum glauben, aber sie ist bereits vor 91 Jahren entstanden.


Nach großem verdienten Beifall des Publikums fand der Abend mit einem Feuerwerk untermalt von Musik seinen Abschluss.

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