Das Apartheid Museum in Johannesburg
Zwei Nobelpreisträger wohnten in einer Straße in Soweto
November 2008
Im Apartheid-Museum in Johannesburg
Seit acht Jahren hat die größte und wichtigste Stadt Südafrikas, Johannesburg, eine außergewöhnliche Sehenswürdigkeit für Touristen. Im Südwesten der „Stadt des Goldes“ wurde das Apartheid Museum eingerichtet. Es zeigt den unmenschlichsten Teil der Geschichte der Vorherrschaft der weißen Minderheit, die nach über 300 Jahren im Mai 1994 mit der Wahl Nelson Mandelas zum Präsidenten Südafrikas endete. „Anfangs hatten wir nur 40 bis 50 Besucher pro Tag, jetzt kommen täglich 500 bis 600 zu uns“, sagt die farbige Managerin Noelene Patel.
Apartheit machte Buren reich
Das Museum befindet sich direkt gegenüber der „Gold Reef City“. Hier wurde rund um eine der einst reichsten Goldminen im Disneyland-Stil Johannesburg vor 100 Jahren nachempfunden. Der Standort des Museums ist klug gewählt, denn er signalisiert, dass Goldbergbau, schwerste körperliche Arbeit und unermesslicher Reichtum mit der Apartheid Politik viel zu tun haben. Hier begann nach früheren ersten Diamantenfunden der Goldrausch, als erste Gold führende Gänge entdeckt wurden. Hier legten die Brüder Johannes Rissik und Johannes Joubert den Grundstein für ihr Imperium und gründeten auf Farmgebiet eine Ortschaft, die sie nach ihren Vornamen Johannesburg nannten. Bis zum Jahr 1896 ist in nur sieben Jahren die neu gegründete Stadt von 3.000 auf 100.000 Einwohner gewachsen.
Gleich nach der Gründung der Afrikanischen Union 1910 wurden Rassentrennungsgesetze verabschiedet. So wurde schwarzen Minenarbeitern verboten, qualifizierte Arbeiten auszuüben, Streiks wurden zum kriminellen Akt erklärt. Die Schwarzen arbeiteten durchschnittlich 15 Stunden mehr pro Woche für Löhne, die nur ein Sechzehntel ausmachten und mussten in überfüllten Elendsquartieren hausen. Eine so genannte Homeland-Politik führte dazu, dass 70 Prozent der Bevölkerung 7,5 Prozent des Landes zugewiesen bekamen, unfruchtbarste Böden ohne Bodenschätze.
Die Orlando Towers in Soweto – Kühltürme des ehemaligen Heizkraftwerks – verziert mit den größten Wandgemälden Afrikas
Getrennte Eingänge zum Museum
Schon der Eingang des Museums vermittelt ein Gefühl für die Apartheid (in Afrikaans der Begriff für Trennung). Alle Besucherpaare erhalten zwei unterschiedliche Eintrittskarten (für Weiße und für Schwarze) und werden gezwungen, auf zwei verschiedenen, sich teilweise an blanken Betonmauern schlängelnden halbdunklen Wegen in den Innenraum des Museums vorzudringen. Nur eine winzige Erfahrung von Rassentrennung, wie sie dann verschärft seit 1948 von der regierenden Nationalpartei der niederländischstämmigen Buren systematisch praktiziert wurde.
Das sehenswerte modern eingerichtete Apartheid Museum
An öffentlichen Orten wurde eine strikte Trennung von Weißen und Nicht-Weißen vorgeschrieben. Mischehen waren verboten. Es wurden für verschiedene Rassen getrennte Wohngebiete geschaffen. Die älteste und größte Wohnstadt für Schwarze auf einer Fläche von 95 Quadratkilometern erlangte weltweit traurige Berühmtheit – Soweto, die Abkürzung für South Western Townships, nur rund zehn Kilometer vom Museum entfernt.
Soweto – the good
Soweto – the bad
Soweto: the good, the bad, and the ugly
Heute ist Soweto in das Programm der Busrundfahrt für Touristen durch Johannesburg einbezogen. "Soweto: the good, the bad, and the ugly" - "Soweto: das Gute, das Schlechte und das Hässliche" – so wirbt ein Touristenbüro um Kunden. In dem „guten“ Wohnviertel sieht man gepflegte Backstein-Häuser und sogar Villen mit Garagen, eingefasst von kleinen Mauern – so wie auch in anderen Wohnvierteln in Johannesburg üblich. In dem „schlechten“ Wohnviertel stehen lange Hauszeilen von winzigen Reihenhäusern, in denen vorrangig die schwarzen Minenarbeiter wohnten. Sie sind heute zum Teil renoviert und der Lebensstandard hat sich verbessert.
Soweto – the ugly
Einziger Wasserhahn für eine ganze Straße
Die „hässlichen“ Wohnviertel gibt es auch noch, mit staubigen, schmutzigen Wegen, Wellblechverschlägen und jeder Menge Müll und Unrat. Es ist schon ein Erfolg, dass hier zumindest in jedem Weg ein Hydrant installiert wurde, so dass die Bewohner sauberes Wasser zur Verfügung haben. Hier wohnt die unterste Schicht der Bevölkerung, Arbeitslosigkeit und bittere Armut gehören zum Alltag, AIDS und die hohe Kriminalität sind weitere Probleme. Touristen, die mit einer organisierten Gruppe ankommen, können auch diese Slums unbehelligt besuchen, denn die Guides sind in den Wohnvierteln bekannt und die Touristen-Agenturen unterstützen die armen Communities auch finanziell. Ich erhalte allerdings vor dem Besuch Verhaltenshinweise, den bettelnden Kindern keinerlei Geld zu geben. Allerhöchstens ein paar Bonbons oder Buntstifte sind erlaubt.
In Soweto existiert auch die einzige Straße auf der Welt, in der zwei Nobelpreisträger wohnten: Der für ein Viertel Jahrhundert als Staatsfeind Nummer 1 galt und dann erster schwarzer Präsident wurde, Nelson Mandela, und der streitbare Bischof Desmond Tutu. In den 50er Jahren wohnten beide in der Vilakazi Straße.
Vilakazi Street
Forderung „One man- one vote“ triumphiert
Doch das modern eingerichtete Museum dokumentiert nicht nur, wie brutal und unmenschlich die Apartheid funktionierte, sondern zeigt auch anschaulich den wachsenden Widerstand. An der Spitze standen der schon 1923 gegründete African National Congress (ANC) und viele mutige Menschen wie Steve Biko, der Gründer der südafrikanischen Studentenorganisation, der 1977 in Polizeihaft zu Tode gefoltert wurde.
„Wir haben im Museum für Biko eine spezielle Ausstellung eingerichtet. Sie wendet sich vor allem an Schüler und Studenten in unserem Land, die über die Verbrechen der Apartheid oft wenig wissen und für die die dramatischen Geschehnisse schon Geschichte sind, “ erklärt Managerin Patel. Bedeutend für junge Leute seien deshalb nicht nur Dokumente und Texte über Rassengesetze, Plakate und eine Reihe eindrucksvoller Fotos, sondern auch Dokumentarfilme beispielsweise über die historischen Wurzeln der Rassenpolitik sowie den aktiven Widerstand der schwarzen Bevölkerung in Soweto in den 80er Jahren.
Museums-Managerin Noelene Patel
Besonders beeindruckt der letzte Teil im Museum. Die Hauptforderung der Apartheidgegner „One man - one vote“ („ein Mensch - eine Stimme“) wurde nach jahrzehntelangem Kampf durchgesetzt. Aus den ersten freien Wahlen im April 1994 gingen der ANC und Nelson Mandela mit 62,7 Prozent der Stimmen als Sieger hervor. Ein großes Fotoplakat hält den historischen Moment Südafrikas fest: in der Mitte der neue Präsident Nelson Mandela, flankiert von seinem Stellvertreter Mbeki und von Ex-Präsident de Klerk im Mai 1994.
Sonderausstellung über Nelson Mandela vorbereitet
„Hier in Südafrika wurde der Begriff Apartheid eingeführt, aber wir haben die Apartheit in unserem Land abgeschafft. Andere Länder haben so einen Begriff nicht, aber immer noch Inhalte der Apartheid“, macht Noelene Patel klar. Und fügt hinzu: „Solange es auf der Welt noch Apartheid auf unterschiedlicher Ebene gibt, bleibt unser Museum wichtig.“
Museumplakat: Apartheid ist genau da, wo sie hingehört: ins Museum
Überlebensgroße Statue von Nelson Mandela vor der Sandton City, dem größten Einkaufszentrum Afrikas
Im November wird eine neue Sonderausstellung im Museum eröffnet, die Nelson Mandela gewidmet ist. In den derzeit noch leeren Räumen zeigt Noelene Patel den Platz, wo das erste Dienstauto des ersten schwarzen Präsidenten aufgestellt und den Raum, wo seine Gefängniszelle auf Robben Island nachgebaut wird. Die Museumsmanagerin ist sich sicher, dass unter den kommenden Besuchern auch viele Touristen aus aller Welt sein werden. Sie werden der Stadt Johannesburg und seinen Bewohnern Impulse geben. Vor einigen Jahren flohen Firmen und Hotels aus der Innenstadt in die Vorstädte, um der scheinbar nicht einzudämmenden Kriminalität zu entgehen. Diese sozialen Krebsgeschwüre sind zu nicht geringem Teil auch noch Spätfolgen der Apartheit. Am 11. Juni 2010 wird das Eröffnungsspiel der Fußball WM in Südafrika ausgetragen. Große Hotelketten wie Ritz Carlton und Hilton, so wird in der Stadt erzählt, wollen im Jahr 2009 wieder in ihre leer gezogenen Häuser nach Down Town zurückkehren. Die Fußball-Weltmeisterschaft hat das Prinzip Hoffnung befördert.