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Apulien - Land in Grün-Weiß-Rot

Ronald Keusch

Den Stiefelabsatz Italiens hat der Massentourismus noch nicht erreicht




Grüne Olivenbäume, weiße Steine und rote Erde - das Markenzeichen Apuliens
Grüne Olivenbäume, weiße Steine und rote Erde - das Markenzeichen Apuliens

Die Landschaft von Apulien präsentiert sich dem Besucher meist in den italienischen Nationalfarben. Überall leuchtet das Grün der Olivenbäume, das Rot der meist trockenen Erde und das Weiß der Steine. Allerdings hat sehr heftiger Regen Mitte Oktober einen grünen Teppich wachsen lassen auch inmitten der scheinbar endlosen Olivenbaumreihen, die die Straßen säumen. „Die Olivenbäume stehen jetzt im Herbst wieder im Grünen, das ist ungewöhnlich und hat etwas von Frühling“, sagt Vittorio Bosna. Er hat 1992 die Agentur AGRINTOUR gegründet mit dem Ziel, die Ursprünglichkeit seiner Heimat zu erhalten. Einen Schlüssel dazu sieht er darin, Wissen über die Natur, Archäologie, Geologie und Geschichte weiterzugeben, besonders an Schulklassen, Studenten und nicht zuletzt Touristen.


Trulli - die traditionellen Rundhäuser Apuliens
Trulli - die traditionellen Rundhäuser Apuliens


Fundgrube für Archäologen


Apulien, italienisch Puglia, zwischen dem adriatischen und dem ionischen Meer gelegen, hat viel von seiner Ursprünglichkeit erhalten können. Bislang existieren nur sehr wenige Hotelanlagen an der mehr als 800 Kilometer langen Küste, dafür um so mehr felsige Strände mit unzähligen kleinen einsamen Buchten. Der italienische Süden am Stiefelabsatz mit seinem überwiegend flachen Land, immer unterbrochen durch hügeliges Gebiet, gibt sich ländlich. Lange kleine aufgeschichtete Steinmauern an den Feldern begrenzen die Ackerflächen. Hin und wieder stehen auf den Feldern die traditionellen Rundhäuser Apuliens, die Trulli. Sie haben weißgetünchte Wände aus Naturstein und ein spitzes kegelförmiges Dach und bieten durch die dicken Mauern besten Schutz gegen die Sommerhitze. Und auch unterirdisch gibt es einiges zu bestaunen, zum Beispiel antike Ölmühlen.


Oliven - das "Grüne Gold" Apuliens Unterirdische Ölmühle zur Verarbeitung der Oliven

Dafür wurden Höhlen in den Tuffstein oder Kalkstein gegraben, in denen dann das Olivenöl hergestellt wurde. Durch die unterirdische Lage erreichte man eine konstante Temperatur und Luftfeuchtigkeit und die Produkte wurden so besser konserviert. Die Bauern entluden ihre Oliven oberhalb der Mühle in einen Schacht, von dem sie dann von den Arbeitern „unter Tage“ entnommen und weiterverarbeitet wurden. Noch bis in das 19. Jahrhundert hinein wurde so produziert.


Vittorio Bosna im Park der Dinosaurier
Vittorio Bosna im Park der Dinosaurier

Nahezu überall sind Naturschutzgebiete eingerichtet und es ist ein Paradies für Archäologen vorhanden. Ganz in der Nähe des Ortes Altamura befindet sich ein „Park der Dinosaurier“.

Saurier-Fußstapfen
Saurier-Fußstapfen

In einem ehemaligen Steinbruch fanden Geologen tausende Spuren von Sauriern in den Kalkfelsen, einige davon werden im archäologischen Museum des Ortes gezeigt. Ebenfalls in der Nähe von Altamura befindet sich eine 500 Meter lange Grotte, vor 20 Jahren entdeckt, in der das gut erhaltene Skelett eines Neandertalers ruht.




Geheimnisvolles Castel del Monte


Die Touristen aus Berlin und Brandenburg, gegenwärtig und künftig heftig mit preußischen Jubiläen und Jubilaren konfrontiert, können sich hier im italienischen Südosten recht heimisch fühlen. Denn auf ihrer Reise durch Apulien tritt er beständig auf, Friedrich II. Allerdings ist es nicht Friedrich der Große, der alte Fritz, aus dem Haus der Hohenzollern, sondern es handelt sich um den auch sehr bedeutenden Friedrich aus dem Haus der Staufer, der fast 500 Jahre früher vorwiegend hier gelebt und gewirkt hat. Der Enkel vom legendären Friedrich Barbarossa war König von Sizilien und sein Name hat bis heute in Italien einen guten Klang. Überliefert sind seine kluge und tolerante Herrschaft und seine vielseitigen geistigen Interessen.


Castel del Monte
Castel del Monte

Eine noch heute deutlich sichtbare Hinterlassenschaft sind die von ihm erbauten Schlösser und Burgen in Apulien. Die bekannteste Burg, das Castel del Monte, entstanden 1244 bis 1250, erscheint schön wie auch geheimnisvoll. Da ist der ungewöhnliche Grundriss eines Achtecks und an seinen Ecken stehen Türme mit ebensolchem Grundriss. Zu allen Zeiten - bis zum heutigen Tage - wurde über die Funktion des Baus gerätselt. War das Castel als Repräsentanz gedacht oder als Jagdschloss? Die Burg ist auch voller Symbole beispielsweise durch die Form einer Krone und beflügelt die Fantasien. Das Castel del Monte liegt auf einer 400 Meter hohen Hügelspitze inmitten einer kargen Landschaft mit Blick auf das Meer – einfach sehenswert. Es hat weder ein Vorbild noch einen Nachfolger gefunden.


Im Weingut Torrevento

Nur ein paar Kilometer entfernt liegt das Weingut Torrevento und mitten auf dem Gelände steht ein schönes altes Kloster aus dem 17. Jahrhundert. Die Keller des Klosters werden auch heute noch für die Weinherstellung genutzt.


Der Pinienzapfen als architektonisches Element
Der Pinienzapfen als architektonisches Element

Die Natur Apuliens schmecken


Auf dem Weg durch Apulien sind sie überall zu sehen, die Pinien Imperiale, benannt nach Friedrich II., wie Vittorio Bosna ausführt. Der charaktervolle deutsche Monarch soll auch das Symbol der Gastfreundschaft aus der Taufe gehoben haben, den Pinienzapfen. Er ist an Zaungittern und Bauten zu finden und verweist auf deutsche Wurzeln der Toleranz und Weltoffenheit. Die hoch gewachsenen Pinien wie die Gastfreundschaft sind in den überall im Land verstreuten Masserias zu finden, wie die Bauerngehöfte hier genannt werden. Von hohen Mauern umgeben und teilweise mit Zugbrücken ausgestattet, boten sie in vormittelalterlicher Zeit Raum für Schutz und Zuflucht. Heute sind viele von ihnen als Gasthöfe mit Fremdenzimmern ausgebaut. Dazu gehört die Masseria „Posta Milella“ in der Nähe der Küstenstadt Trani.


Bei der Herstellung der Burrata Vorspeisenteller mit regionalen Produkten

In der Masseria stehen traditionell regionale Gerichte auf der Speisekarte. Beispielsweise werden Orecchiette (italienisch Öhrchen) handgemachte Nudeln mit dem Gemüse Rapa serviert, eine Art Kohlgemüse, das nur in Apulien wächst. Die zarten leicht bitteren Stängel und Blättchen, in Salzwasser gekocht, erzeugen den besonderen Geschmack. Weiterhin gibt es Burrata, eine Art von Mozzarella in der typischen Säckchenform, der noch mit einem anderen weichen Käse gefüllt ist oder Focaccia, ein aus Weizenmehl gefertigter Hefeteig, in den Olivenöl eingeknetet ist. Und überall dazu die Tomaten, die richtig nach Tomaten schmecken. Eine besondere Delikatesse ist für nicht wenige Touristen das getrocknete italienische Brot Friselle. „Kurz in kaltes Wasser getaucht und mit Öl von mehreren hundert Jahre alten Olivenbäumen begossen, mit Thymian und etwas Salz gewürzt – da kann man die Natur Apuliens auch schmecken“, meint Vittorio.


Frischer Fisch direkt vom Fischerboot in Trani

Das DOP-Siegel, so erklärt er, stehe bei landwirtschaftlichen Produkten für Ursprung, Farbe und Geschmack und es sei eine gute Orientierung für den Reisenden. Allerdings gibt es für ausgesprochene Fleischesser auch Orte wie Cisternino, wo man sich das frische Fleisch an der Theke beim Metzger aussucht und dann grillen lässt. Und frischen Fisch kauft man am besten direkt bei den Fischern am Hafenkai in Trani.


Der Hafen in Trani
Der Hafen in Trani

Die hübsche Hafenstadt Trani wurde schon zu Zeiten des antiken römischen Reiches gegründet und entwickelte sich im frühen Mittelalter zu einem der wichtigsten Häfen Süditaliens für den Handel mit dem Orient. Unmittelbar am Meer erhebt sich die Kathedrale San Nicola Pellegrino.


Kathedrale San Nicola Pellegrino in Trani

Gleich daneben befindet sich das Castello Normanno Svevo, zu deutsch Schwabenkastell, das auch von Friedrich II. zwischen den Jahren 1233 und 1249 errichtet wurde. Es wurde im 16. Jahrhundert unter Kaiser Karl V. sowohl auf der See- als auch auf der Landseite bedeutend erweitert und befestigt und die Ecktürme wurden zu Bastionen ausgebaut.


Das Castello Normanno Svevo in Trani
Das Castello Normanno Svevo in Trani


Paradies der reinen Luft


Wenn Vittorio durch seine Heimat Apulien zieht, ist er immer wieder von der Natur begeistert. Im Park von Porto Selvaggio kommt er ins Schwärmen, nicht zu Unrecht. Der 550 Hektar große Park wird als Paradies der reinen Luft verehrt. Dafür sorgen 350 Hektar Pinienwälder, die vor zirka 70 Jahren auf felsigem kargem Boden angepflanzt wurden. Mit der Zeit bildete sich besonders aus den abgefallenen Piniennadeln eine Humusschicht, auf der sich stark duftende Kräuter ausbreiteten.


Pinienwälder in Porto Selvaggio
Pinienwälder in Porto Selvaggio

Zusammen mit der jodhaltigen Meeresbrise entsteht ein Mikroklima, das für die Atmungswege sogar eine Aroma-Therapie darstellt. Im Herbst sind überall Zistrosen, wild wachsender Ginster und Mimosen, Myrthe, Krokusse und wilde Olivenbäume zu bestaunen.


Antiker Turm in der Bucht bei Porto Selvaggio
Antiker Turm in der Bucht bei Porto Selvaggio

Auf kleinen Landzungen der Küste stehen Überreste von Türmen, die teilweise noch aus byzantinischer Zeit stammen sollen. Die gesamte Küste besitzt das blaue Siegel für sehr hohe Wasserqualität. Zum Naturpark gehört auch das „Palude del Capitano“ (das Kapitänsmoor). Auch hier ist das Markenzeichen glasklares Wasser, in Mini-Lagunen schwimmen große Fische.




Im Moorgebiet des Palude del Capitano
Im Moorgebiet des Palude del Capitan

Ganz nah liegt der kleine Küstenortschaft Castro mit ein paar tausend Einwohnern. Das hier befindliche Castello Aragonese steht teilweise auf Mauern, die 2300 Jahre alt sind. Heute befindet sich in dem Castello das archäologische Museum, das zahlreiche Objekte aus der Altsteinzeit vor etwa 12000 Jahren bis zum 16. Jahrhundert zeigt, als der Ort Castro mit seinem Castel der exponierteste Punkt an der Grenze zum Osmanischen Reich war. Und eine italienische Grundregel gilt auch hier auf dem kleinen Platz vor dem Castel im apulischen Castro - Cappuccino und Espresso schmecken immer.


Das Castello Aragonese in Castro


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