top of page
  • Ronald Keusch

Urlaub mit gutem ökologischem Gewissen

Besuch im Bio- und Naturpark Refugium Schmilka in der Sächsischen Schweiz

Schmilka an der Elbe
Schmilka an der Elbe

Der Tourismus entdeckt einen alten Trend neu: nachhaltiges Reisen. Dazu fahren Urlauber mitunter in weit entfernte Gegenden der Welt und haben das gute Gewissen mit im Handgepäck.

Allerdings beginnt bei vielen die ökologische Tour erst am Zielort. Die Flugkilometer dorthin werden dann großzügig ausgeklammert. Weltweit wachsen Öko-Lodges wie Pilze aus dem Boden, gediegene Quartiere mit stilvollem Ambiente - aber das alternative Reiseziel kann so nah und in Deutschland sein, zum Beispiel in Schmilka in der Sächsischen Schweiz.



Auf der Schiene an der Elbe entlang


BIO & Nationalpark Refugium Schmilka nennt sich der kleine Flecken, ein Ortsteil vom vier Kilometer entfernten Bad Schandau. Das frühere Dorf der Elbschiffer, Flößer, Steinmetze, Köhler, Pechsieder und Waldarbeiter mit heute 80 Einwohnern liegt direkt an der Elbe und der tschechischen Grenze. Es hat sich die Bezeichnung BIO-Refugium in den letzten Jahren redlich verdient. Und das beginnt schon mit den Möglichkeiten der Anreise.


Flix-Bus in Dresden
Flix-Bus in Dresden

Beispielsweise mit dem Flix-Bus, dem Fernbus-Testsieger. Gegenwärtig bietet dieser Autobus-Riese täglich 100.000 Verbindungen in Europa an. Jeden Tag gibt es insgesamt 18 Verbindungen (!) von Berlin nach Dresden zu einem Frühbucherpreis von 6,90 Euro.

Die Hürde für einen Besuch des Bio-Refugiums ohne eigenes Auto ist nicht so hoch. Zumal sich die Haltestelle vom Flix-Bus direkt hinter dem Dresdner Hauptbahnhof befindet. Von hier folgen die Schienen der S-Bahn-Linie 1 immer dem Lauf der Elbe. Besonders die obere Etage der Doppelstockzüge erlaubt durch große Fenster einen eindrucksvollen Ausblick auf die fantastische Felsenlandschaft am Flussufer. Wie auf einer Perlenkette aufgereiht die namhaften Orte der Sächsischen Schweiz Pirna, Stadt Wehlen, Rathen, Königstein, Bad Schandau, Krippen. In knapp einer Stunde Fahrtzeit ist die Haltestelle Schmilka-Hirschmühle erreicht.



Häuser baubiologisch saniert



Villa Thusnelda Pension Rauschenstein

Das Schicksal von Schmilka ist entscheidend von einer großen Liebe geprägt worden. Nach einem Studium an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein und einer Ausbildung als Landschaftsgärtner zu DDR-Zeiten gehörte Sven-Erik Hitzer nach der Wende zu den Quereinsteigern in der Tourismus-Branche. „Mein Vater ist hier früher rund um Schmilka viel gewandert, hier lag sein bevorzugtes Klettergebiet und er hat den Ort wie die umliegende Landschaft ins Herz geschlossen“, erzählt sein Sohn Moritz Hitzer. Der erste Baustein für den touristischen Erfolg des gesamten Ortes Schmilka wurde mit dem Erwerb des Hauses Marianne gelegt. Da war Schmilka ein verschlafenes kleines Dorf, das durch die Nähe der Grenze und durch den Grenzverkehr kaum Touristen sah. Von Anfang an wurde ein Markenzeichen gesetzt. Das Haus und später weitere Gebäude wurden baubiologisch saniert ohne ihren Charakter zu verändern. „Vor fünf Jahren kamen noch eine Bäckerei, eine Brauerei, eine Konditorei und eine Mühle dazu, die mittlerweile unter der Dachmarke BIO Refugium vereint sind. Ich glaube, es ist schon einzigartig in Deutschland, so ein Refugium in einem ganzen Ort zu betreiben“, sagt Moritz Hitzer. Der 33 jährige studierte Betriebswirt steht als Junior-Chef des Refugiums seinem Vater zur Seite.



Erstes zertifiziertes Bio-Hotel in Sachsen


Hotel Helvetia
Bio-Hotel Helvetia


Zu einem Aushängeschild von Schmilka mauserte sich das 2007 eröffnete Bio-Hotel Helvetia, direkt gelegen am Ufer der Elbe. Schon lange ist das Klischee überholt, dass Biourlauber ihre Abende unter kalten Energiesparlampen verbringen müssen oder nur lauwarm baden können. „Die Gäste wollen sich wohlfühlen. Wenn sie das mit gutem ökologischem Gewissen tun können, um so besser“, so lautet das Motto der Hotelier-Familie Hitzer.


Das Hotel Helvetia ist das erste zertifizierte Bio-Hotel in Sachsen. Da liefert die Küche Regionales aus ökologischem Anbau. Die Betreiber sichern hundert Prozent Ökostrom und regenerative Energienutzung. Die Gäste erwarten vielfach eingesetzte Naturmaterialien wie Naturmöbel, Natur Latex-Matratzen sowie ein Elektrosmog freies Raumklima. Das Hotel Helvetia führt den Beweis, dass ein Bio-Quartier auch ein stilvolles Ambiente präsentieren kann mit bequemer Lounge und rustikalem Kaminzimmer, mit üppigem Garten und ausgedehnter Terrasse. Aber das Hotel Helvetia steht nicht allein. Weitere stilvoll gestaltete Quartiere warten in der Villa Thusnelda, in den Pensionen Forsthaus und Rauschenstein. Einschließlich der Ferienwohnungen und Appartements wird Schmilka im Sommer dieses Jahres 160 Gäste-Betten zur Verfügung stellen. Der jüngste Zuwachs ist der 2014 eröffnete Mühlen-Komplex, der ebenfalls Doppelzimmer mit Balkon und Suiten beherbergt. Ein Bummel durch die engen Gassen, vorbei an einem idyllischen Biergarten neben dem Wasserrad der Mühle erklärt ohne viele Worte, warum diese einzigartige und authentische Dorfstruktur in diesem Jahr mit dem Titel „Sachsens schönste Dörfer“ ausgezeichnet wurde.



Das Konzept Winterdorf


Badezuber im Mühlen-Komplex Braukessel


Das Entscheidende sei ja, dass den Touristen nicht schlechthin Betten, sondern ein Erlebnis verkauft wird. „Gerade in der Zeit von Januar bis März wollen wir in Schmilka ein Erlebnisdorf schaffen mit Ritualen“, so erläutert Moritz Hitzer das Konzept „Winterdorf“. Zu den täglichen Programmpunkten zählen dann geführte Winterwanderungen, das urige Bad in Badezubern vom Mühlenhof, Gesundheits-Rituale mit Naturheilpraxis und Massagen, Schwitzen in der neu gebauten Panorama-Sauna. Dia-Vorträge, Workshops, Kammermusik und Filmabende sollen das Angebot ergänzen. Bis zu 30 Prozent Auslastung in der Nebensaison ist das ehrgeizige Ziel, das auch dazu beitragen soll, von den etwa 70 Beschäftigten mehr als 40 im Winter in der Arbeit zu behalten.


Hotel Praha in Hrsensko
Hotel Praha in Hrsensko

Die drei Kilometer entfernte offene Grenze zu Tschechien hatte Schmilka für viele Jahre zu einem Ort für Durchgangsverkehr degradiert und touristische Strukturen zerstört. Das hat sich nun geändert. Der knapp drei Kilometer entfernte kleinen Touristenort Hrsensko (deutsch Herrnskretschen) auf der anderen Seite der Grenze hat sich mittlerweile für Schmilka-Urlauber als zusätzliches attraktives Ausflugsziel in die böhmische Schweiz gemausert. Die Edmunds-Klamm lädt zu einer Wanderung ein und böhmische Knödel-Spezialitäten im schicken Hotel Praha kann der Gast auch in Euro bezahlen.


Edmundsklamm in der böhmischen Schweiz
Edmundsklamm in der böhmischen Schweiz

Das Hitzer-Management ist auch kreativ, wenn es darum geht, den Besuchern des Nationalparks Sächsische Schweiz das gut ausgebaute öffentliche Verkehrsnetz näher zu bringen. Wanderschiffe auf der Elbe und die Wanderbusse kommen bei den Touristen gut an.


„Wir haben eine besondere Aktion vom 18. Juni bis zum 14. Juli gestartet“, informiert Moritz Hetzer. „Alle Gäste, die in dieser Zeit fünf Übernachtungen im Bio Hotel Helvetia buchen, erhalten die An- und Abreise mit der Deutschen Bahn geschenkt.“ Die Veranstalter sind gespannt, wie die Gäste dieses Angebot zur Anreise ohne eigenes Auto annehmen.



Zwei Mal dem Hochwasser getrotzt

Zug im Elbtal
Zug im Elbtal

Wo viel Licht ist, da ist auch Schatten und jede Medaille hat zwei Seiten, wer kennt nicht diese Sprüche. Auch Schmilka und das gesamte Elbtal hat diese Spruch-Weisheiten im Kopf, wenn es um den bequemen Reiseweg ihrer Urlauber auf Schienen geht. Die Anreise per Eisenbahn so zu sagen direkt vor die Tür von Hotel und Pension ist umweltschonend. Doch so romantisch die Aussicht auf die andere Uferseite der Elbe ist, wo Personenzüge gemächlich rollen und Schnellzüge ohne Halt vorbei sausen, stellt sich besonders abends und nachts ein Ärgernis ein. Dann donnern durch das Elbtal auf Schienen oft überlange Güterzüge. Abhilfe sollen an einigen Strecken künftig Schallschutzwände bringen. Doch eine wirkliche Entspannung der Situation verspricht das Konzept, die Strecken des Güterverkehrs zu verlegen und nicht mehr durchs Elbtal zu führen, im Interesse der Bewohner wie der Urlauber. In den letzten zehn Jahren musste Schmilka wie auch andere Orte zweimal dem Hochwasser trotzen, zuletzt im Jahr 2013. Die einzigen Spuren dieser Katastrophe in Schmilka sind von den Besuchern nur noch an eingezeichneten Hochwassermarken an den Gebäuden zu erkennen.



Romantik auf dem Maler-Weg


Auf Schritt und Tritt begegnet dem Besucher mit offenen Augen Historie und Kultur der Region. Dazu zählt der 112 Kilometer lange Maler-Weg. Er ist die wichtigste und schönste Wanderstrecke in der Sächsischen Schweiz. Sie verläuft durch tiefe Schluchten zu grandiosen Aussichten auf das Elbsandsteingebirge. Der Name erinnert an Maler und Romantiker früherer Jahrhunderte wie Bernardo Bellotto genannt Canaletto, Caspar David Friedrich oder Ludwig Richter, die die wild zerklüfteten Felsmassive, Wasserläufe in lauschigen Tälern oder die imposanten Tafelberge in Motiven ihrer künstlerischen Arbeiten verewigten.

Vom Gipfel des Großen Winterbergs, des zweithöchsten Berges der Sächsischen Schweiz, führt der Malerweg in seiner fünften Etappe ins Elbtal hinab zum Örtchen Schmilka. Hier gelangt der Wanderer direkt zur Schmilkaer Wassermühle. Im Jahr 1665 erbaut, zählte sie zu den ersten Gebäuden von Schmilka. Nach Vorlage des Kupferstichs von Ludwig Richter wurde die Mühle im Jahr 2007 rekonstruiert und nimmt heute einen herausragenden Platz im Bio- und Naturpark-Refugium von Schmilka ein.

Biergarten im Mühlenkomplex
Biergarten im Mühlenkomplex

Wie von Tino Richter, Geschäftsführer vom Tourismusverband zu erfahren, kann sich die Sächsische Schweiz trotz mancher Unkenrufe in den Medien im vergangenen Jahr wieder über mehr Besucher freuen. Die historische Kultur und die Schönheit der Landschaft wie auch die ausgeprägte Freundlichkeit seiner Bewohner sind für Touristen letztlich ausschlaggebend.




Auf dem „Balkon“ von Meißen


Es ist bequem und verführerisch, vom Bio-Hotel Helvetia mit einer kleinen Fähre auf die andere Seite der Elbe zu wechseln und die Haltestelle der Eisenbahn zu erreichen. Denn in nur knapp 90 Minuten Fahrtzeit ist schon Meißen erreicht. Die Stadt geht mit der Zeit und hat im Jahr 2013 den neuen Haltepunkt Altstadt eingerichtet. Meißen ist die Stadt der Herstellung des ersten europäischen Porzellans und „die Wiege von Sachsen“. Denn Meißen ist mehr als 1000 Jahre alt. Die geschichtlichen Anfänge liegen mit der Gründung der Burg Anfang des 10. Jahrhunderts, die heute als Schloss Albrechtsburg zusammen mit dem Dom über der Stadt thront.


Gaststätte Vinzenz Richter Weg auf den Burgberg


Der Bummel durch die Altstadt und am oberen Ende des Markts die Frauenkirche mit dem berühmten Porzellan-Glockenspiel offenbart den Charme der Elbstadt mit ihren prächtigen Bauten, die keine Zerstörungen im zweiten Weltkrieg erleiden mussten. Hier ist noch Geschichte lebendig mit der traditionsreichen Gaststätte „Vincenz Richter“ der Tuchmacher-Innung aus dem 18. Jahrhundert oder mit der ältesten Apotheke der Stadt am Markt aus dem Jahr 1503. Faszinierend auch der Weg hinauf auf den Burgberg. Hier auf der Terrasse des Dom-Kellers befindet sich der „Balkon“ von Meißen mit exzellenter Sicht auf die Stadt.


Blick vom Meißner "Balkon" auf die Stadt
Blick vom Meißner "Balkon" auf die Stadt


Ausstellung über den Heiligen Benno


Ein Markenzeichen von Schloss Albrechtsburg, das als ältestes Schloss in Deutschland gilt, ist der dauerhafte Zugang aller Etagen für die Öffentlichkeit. Zugleich ist das Schloss auch ein Trendsetter für seinesgleichen als Museum. Hier kann der Besucher multimedial und innovativ auf eine Entdeckungsreise gehen, auch zur spannenden Entstehungsgeschichte des Porzellans, das hier erstmalig in Europa in einer Manufaktur hergestellt wurde.


Die Albrechtsburg
Die Albrechtsburg

Das Schloss gibt in Sonderausstellungen auch immer Raum für besondere und auch streitbare Themen. Dazu zählt sicherlich die aktuelle Ausstellung „Ein Schatz nicht von Gold“ über Benno von Meißen, Sachsens erstem Heiligen, die noch bis zum 5. November zu sehen ist. Es ist nur auf den ersten Blick verwunderlich, dass inmitten der sächsischen Kern-Region der Reformation der Werdegang des Bischofs Benno, seine Heiligsprechung und seine Ausstrahlung auf Katholiken bis heute in den Mittelpunkt einer Ausstellung rückt. Denn hier wird das immer aktuelle Thema wird von Glanz, Glaube und Macht dargestellt, von Reformation und Gegenreformation. Spannend ist die wechselhafte Darstellung von Bischof Benno, der im 11. Jahrhundert lebte. Die Ausstellung liefert Originalzitate von Luther, in denen er gegen die Heiligsprechung von Benno und gegen Sündenerlasse wettert, wobei Deutschlands erster Reformator betont, er spreche nicht gegen Benno, aber gegen jedweden Heiligenkult. Als der barocke August der Starke in Sachsen herrscht, wird der totgesagte Benno wieder belebt. Und im 20. Jahrhundert entstand sogar ein katholisches Bistum Dresden-Meißen, mit Benno als Schutzpatron. Die Ausstellung auf der Albrechtsburg erzählt Geschichten über Macht, Glaube und Politik und belegt, dass Sachsen nicht allein ein Land für die Touristen, sondern auch ein Ort für offene und kontroverse Diskurse sein kann.


bottom of page