Schlosspark Theater hat Travestie Komödie „Charlys Tante“ entstaubt
Manchmal ist es schon lohnend und für heutiges Publikum vielversprechend, wenn man einen Oldie aus dem riesigen Reservoir der Komödien und Possenspiele wieder hervorkramt. Dazu gehört ohne Zweifel die Farce und Travestie-Komödie „Charlys Tante“ des britischen Autors Brandon Thomas, die 1892 in London Premiere feierte. Das Schlosspark-Theater im Südwesten von Berlin hat den Mut und das Können aufgebracht, dieses Possenspiel aus Zeiten des British Empire auf die Bühne des 21. Jahrhunderts zu bringen. Welches andere Theater in Berlin wäre dazu in der Lage, wenn nicht dieses traditionelle Spielstätte in Steglitz, die nach wechselhafter Geschichte im Dezember 2008 einen Neustart erlebte. Seit diesem Zeitpunkt hat der Schauspieler und Komiker Dieter Hallervorden die Leitung des Hauses übernommen und konnte sich mit vielen prominenten Schauspielern als ein Sprechtheater ohne festes Ensemble im Haifischbecken des kulturellen Überangebots von Berlin behaupten.
Die Story ist so banal wie erfolgreich und kurz erzählt. Die zwei Studenten Charly und Jack wollen ihre Freundinnen treffen und benötigen für ihre Verabredung dringend eine Anstandsdame, da die Mädchen, zwei Schwestern, unter strenger Aufsicht ihres Vaters stehen. Vorgesehen dafür ist Charlys Tante aus Brasilien, die ihren Besuch angekündigt hat. Da die Tante nicht rechtzeitig eintrifft, müssen die jungen Männer ganz kurzfristig Ersatz schaffen und überreden ihren Freund Babbs, sich als Frau zu verkleiden und in diese Rolle zu schlüpfen. Aus dieser schauspielerischen Travestie, gemixt mit jeder Menge Situationskomik, Spektakel und Remmidemmi und einem englischen Humor, der in einigen Dialogen an Oscar Wilde erinnert, schöpft die Komödie ihre Ausstrahlung und sogar ein bisschen Sex-Appeal.
Aber das Schlosspark-Theater von Dieter Hallervorden hat sich nicht damit zufrieden gegeben, diesen Klassiker in seinem doch schon mittlerweile angestaubten Umfeld zu belassen. Hallervorden holte sich dazu als Gastregisseur Rene Heinersdorff aus dem Rhein-Ruhr-Gebiet, der für solche Inszenierungen eine glückliche Hand besitzt. So heißen die Töchter in der neuen Version nicht Amy und Kitty, sondern Sema und Aishe und sie stammen nicht aus englischem Adel, sondern ihr Vater ist der türkische Geschäftsmann Spittigül, der ebenfalls eine strenge Aufsicht ausüben will und frühere Verehrer seiner Töchter vergraulte.
In diesem liebevoll arrangierten Stück will das Theater sein Publikum unterhalten und nicht vordergründig moralisieren, wie es scheinbar auf den Theaterbühnen in Berlin und anderswo immer mehr üblich wird. Wir sehen mit Sema und Aishe zwei moderne junge Frauen, in College Uniform mit Minirock und Maxi-Stulpen, die sehr wohl ihren Vater zu umgarnen wissen. Andererseits brauchen sie für eine Verabredung einen „Anstands-Wauwau“. Dieser Grundkonflikt erscheint im Alltag des heutigen Europa völlig aus der Zeit gefallen und absurd. Aber ist das tatsächlich so ? Sind archaische Rollenspiele überall abgeschafft ? Sind Frauen überall gleichberechtigt und können sie sich emanzipiert ihre Partner selbst wählen ? Insofern ist „Charlys Tante“ durchaus aktuell und es wäre wünschenswert, wenn die Komödie so wie nach ihrer Uraufführung einen neuen Siegeszug um die Welt antritt – in einhundert Sprachen ist sie ja bereits übersetzt worden.
Es ist natürlich auch eine Binsenweisheit im Theater, dass letztlich die Schauspieler besonders in den tragenden Rollen über den Erfolg der Inszenierung maßgeblich entscheiden. Dies gilt unbedingt auch für dieses Stück. Eine ganze Heerschar von Schauspielern allein im deutschsprachigen Theater und Film stöckelte als Charlys Tante über die Bühnenbretter und den Film-Set wie Paul Kemp, Heinz Rühmann, Gustaf Gründgens, Theo Lingen, Peter Alexander und viele mehr. Markus Majowski im Schlosspark-Theater hat sich durchaus in diese Ehrengarde eingereiht. In einem insgesamt gut aufgelegten Ensemble, das sichtlich Spaß am Schauspielern hatte, heimste Majowski den meisten Applaus der Zuschauer des vollbesetzten Theaters ein.
Übrigens sprach den letzten Satz des Stückes der mittlerweile wieder befriedete türkische Geschäftsmann Spittigül mit Blick auf die glücklichen Paare: „Das Leben ist schön !“
Fotos: Pressefotos Schlosspark-Theater
Comments