Zu Besuch in der Ostsee-Stadt Stralsund
Segler vor dem Stadtpanorama Foto: Tourismus Stralsund
„Wir mussten den Tourismus zu Corona-Hochzeiten auf Null herunter fahren. In letzter Zeit haben wir unsere Stadt für Besucher langsam wieder geöffnet“, erklärt der Chef des Tourismus Stralsund André Kretzschmar. Sein Tourismus-Büro ist an ganz prominenter Stelle von Stralsund eingerichtet. Es liegt direkt am Alten Markt, dem Wahrzeichen der Stadt. Es ist schon ein besonderes Schauspiel auf dem Markt zu stehen, wenn die Sonne, wie in diesen Junitagen, den Schaugiebel des altehrwürdigen Rathauses hell beleuchtet. Gleich daneben steht die wunderbar „ausgemalte“ Nicolai-Kirche, auch Ratskirche genannt. Als es im frühen Mittelalter noch kein Rathaus gab, tagten hier der Bürgermeister mit Räten, um die Geschäfte der Stadt zu führen. Nahezu einmalig und untypisch ist die Nicolaikirche als eine der norddeutschen Backsteinkirchen original erhalten geblieben. Sie wurde nicht leergeräumt oder fiel wie viele Kirchen der frühen Bilderstürmerei zum Opfer. Für Touristen eine weitere wichtige Station in der Stadt ist die Marienkirche am Neuen Markt. Hier kann der Besucher den einhundert Meter hohen Turm besteigen und eine wunderbare Aussicht genießen. Zu Zeiten des damaligen Turmbaus galt die Kirche als das höchste Gebäude der Welt, wie Tourismus-Chef Kretzschmar nicht vergisst anzumerken.
Die Glücksfälle der Altstadt von Stralsund
Stadtpanorama vom Wasser aus gesehen Alter Markt Spielende Kinder vor dem Rathaus
Die Straßen der Stralsunder Innenstadt sowie auch der Zuschnitt solcher Plätze wie des Alten Marktes haben sich seit dem Mittelalter nicht verändert. Jede Straße war damals genau so breit, allerdings ohne Gehwege und auch die Häuser standen auf dem gleichen Fleck. Architektur und Bebauung sind typisch für hanseatische Siedlungen, die es in ganz ähnlicher Form in Skandinavien bis hin zu Tallinn/ Reval im Baltikum gibt. Die Stadt Stralsund hat mehrfach viel Glück gehabt. Als Wallenstein im Dreißigjährigen Krieg Deutschland überrannte und schließlich Stralsund belagerte, konnte sich die Stadt mit Hilfe der Dänen und Schweden erfolgreich verteidigen. Auch Zerstörungen durch Großbrände und durch Flächenbombardierungen im zweiten Weltkrieg musste die Altstadt kaum erleiden. Und schließlich blieb sie auch von Innenstadt-Sanierungen in der Endzeit der DDR verschont, in der komplette Altstadtviertel weggeschoben wurden, wie in der Nachbarstadt Greifswald. So konnte Stralsund gemeinsam mit Görlitz durch ein großzügiges Städteförderprogramm über Jahrzehnte einen geordneten Wiederaufbau in Angriff nehmen. Die gesamte Altstadt steht unter Denkmalschutz, was manchem Bauherrn wenig Spaß macht. Aber die Mittel aus Stiftungen des Denkmalschutzes und auch aus privater Hand flossen üppig und das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Urbanes Zentrum mit Naturraum
Der Stralsunder Touristik-Chef weiß auch, dass der Tages-Besucher für die Wertschöpfung der Stadt wichtig ist. Dennoch ist für ihn klar, dass sich seine Touristik-Strategie nicht allein auf die Stadt konzentrieren darf. „Wir sind kein Städtereiseziel wie Berlin oder Hamburg“, so Kretzschmar, „sondern wir können nur Touristen interessieren, wenn wir unsere Altstadt und die Schätze des Weltkulturerbes mit dem Naturraum um uns herum in Verbindung bringen“. Bis zum Strand benötige man nur eine Stunde, auch der Nationalpark sei nahe. Deshalb präsentiert sich Stralsund als urbanes Zentrum in einem spannenden Naturraum. Und das Umfeld der Natur hat viel zu bieten. Bereits in Sichtweite vom Stralsunder Hafen liegt der Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft. Auch nicht weit entfernt ist der Nationalpark Jasmund mit seinen Buchenwäldern, das Biosphärenreservat Mönchsgut auf der Insel Rügen und die Landschaften des Greifswalder Bodden. All das in Küstennähe, wo für die Touristen Segel-Touren und das Chartern von Motorbooten offeriert wird. Außerdem ist in der Stadt die Fahrgastreederei der Weißen Flotte Stralsund beheimatet. Sie sorgt mit 15 Schiffen und Fähren auf zehn Linien für einzigartige Erlebnisse auf dem Wasser.
Den Riesen der Meere ganz nah
Pinguin-Anlage auf dem Dach des Ozeaneums mit Blick auf die Altstadt
Ein einzigartiges Erlebnis an Land steht unübersehbar nur ein paar hundert Meter vom Stralsunder Hafen entfernt - das Ozeaneum. Die moderne Architektur ist zum Bestandteil des Stadtbildes geworden. Gegenüber vom Museum ist übrigens der Liegeplatz eines maritimen Denkmals, des legendären Seglers Gorch Fock. Auch beim Ozeaneum lassen sich die Touristen nicht durch das verordnete Corona-Regime des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes vom Besuch des Museums abhalten. Corona schafft einige Einschränkungen. Während früher in der Saison bis zu 10.000 Besucher täglich empfangen wurden, können derzeit nur maximal 2000 Besucher pro Tag in die Ausstellung gehen. Doch die Geduld der Wartenden am Einlass lohnt sich. Das im Jahr 2009 eröffnete Ozeaneum zeigt die größte Ostseeausstellung in ganz Europa und zeigt auch Ausstellungen über die Weltmeere und die darin vorhandene Vielfalt des Lebens. In dem modernen Konzept der Ausstellungen sind zahlreiche großräumige Aquarien eine lebendige Ergänzung zu einer Vielfalt an seltenen Originalen von Pflanzen und Tieren, zum Teil geliefert aus hauseigener Präparation. Die Ausstellungsmacher sind sich auch nicht zu schade, solche Fragen zu stellen wie „Müssen Fische trinken?“, um dann in verständlicher Sprache zu antworten: „Ja, sie müssen trinken und die Meeresfische geben über Poren in den Kiemen überschüssiges Salz ab.“ Zu den Höhepunkten des Ozeaneums zählen zweifellos die Pinguin-Anlage auf der Dachterrasse unter freiem Himmel sowie die mit Greenpeace im Erdgeschoss präsentierte Ausstellung „1:1 - Riesen der Meere“. Wie der Titel schon aussagt, kann man über die gesamte Raumhöhe schwebende Nachbildungen von Walen in Originalgröße in Augenschein nehmen. Die Nachbildung eines Blauwals mit 26 Meter Länge ist das größte Exponat. Rund zwei Dutzend Liegen laden den Besucher ein, in aller Ruhe die ganz großen Säugetiere der Welt intensiv zu betrachten.
Moderne Architektur des Ozeaneums Im Ozeaneum Wale in Originalgröße
Sorgen um Fischbestände und Fischer
Im Ozeaneum wird anschaulich auch über die Umweltbelastung der Meere informiert sowie ihrer Tier- und Pflanzenwelt. Mit dem Bau und dem Betreiben von Bohrinseln, Windkraftanlagen und der Schifffahrt verändert der Mensch die akustischen Landschaften im Meer und den Tieren wird es zu laut. Schutz der Tiere und Menschen an den Küsten ist auch ein Thema. Manche Besucher hätten sicherlich in solch einer Einrichtung auch gerne etwas über das Schicksal der deutschen Ostseefischer erfahren. Man liest zwar einiges von weltweiter Überfischung auf Informationstafeln: „52 Prozent der marinen Fischbestände werden voll ausgebeutet, 28 Prozent sind überfischt“, heißt es da und „Pro Sekunde werden weltweit 2,5 Tonnen Meeresfisch gefangen“. Bekanntlich wurde für die paar Dutzend Ostseefischer mit ihren kleinen Fischkuttern von der EU eine Fangquote festgelegt. Seit Beginn dieses Jahres beträgt die Quote 0,7 Tonnen für Heringe und Dorsch, nicht im Monat, sondern im Jahr. Der Touristik-Chef Kretzschmar antwortet auf die Frage nach Fangquoten recht pragmatisch. Wie groß müsste die Ostsee sein, um mit den Heringen und Dorschen die Gäste an der Küste zu bewirten? Sicher gebe es ein paar Restaurants, die von Fischern direkt beliefert werden. Viel spannender ist für Kretzschmar, wenn der Ostseefisch nicht auf den Teller gelegt wird, sondern auf Touren mit einem Angelguide (Ticket zwischen 150 bis 200 Euro) von Touristen gefangen wird. Da gibt es eine Wertschöpfung von ein paar hundert Euro auf das Kilo Fisch. Zu den Problemen gehört auch, dass manche Fischer über keine Absatzketten verfügen, und somit der von ihnen gefangene Fisch überhaupt nicht ins Restaurant kommt. Dann landet ein Teil des Fanges im Fischmehl. Allerdings sollten die Küstenregionen zumindest auch im Interesse des Tourismus, so die Meinung des Autors, mit der intensiven Diskussion über Fangquoten nicht so lange warten, bis der letzte Ostseefischer aufgegeben hat. Nur für Folklore im Hafen werden die Fischer nicht zur Verfügung stehen.
Der schönste Blick von der Wasserseite
Blick von der Wasserseite auf Stralsund mit Ozeaneum und Gorch Fock
Ungeachtet aller Schätze des Weltkulturerbes ist die Visitenkarte einer traditionsreichen Hafenstadt an der Ostsee wie Stralsund die Hafenrundfahrt. Völlig konkurrenzlos gibt es den schönsten Blick auf die ehrwürdige Stadt von der Wasserseite aus. Die Rundfahrt von einer Stunde gibt auch einen kleinen Einblick in die Meeresorientierung der Hansestadt. Hervorgegangen aus einem slawischen Fährdorf erhielt Stralsund 1234 das Stadtrecht und ist also heute 786 Jahre alt. In der Blütezeit der Hanse erlebte sie den Aufstieg zu einer glanzvollen und reichen Handelsstadt, da der Handel von und nach Russland, Skandinavien und Westeuropa überwiegend auf dem Seeweg abgewickelt wurde. Dank seiner hervorragenden Lage am Strelasund und dem Rückenwind seiner Traditionen hat sich seit der Wende 1990 der Ostseehafen mit seinen Besucher- und Umschlagzahlen gut entwickelt. Der Kommentar des bekannten Schifffahrts-Journalisten Peer Schmidt-Walter zu seiner Stadt Stralsund, in der er lebt: „Auch als Marinestadt ist sie wieder obenauf wie schon seit Jahrhunderten.“
Stralsund - MV Werft
Die Rundfahrt führt auch exklusiv an den riesigen Schiffsbau-Montagehallen der ehemaligen Volkswerft vorbei, heute MV- Werften der asiatischen Genting-Group. Vor 20 Jahren wurde der Umbau zu einer der modernsten Kompaktwerften abgeschlossen. In der Nachbarschaft befindet sich der Seehafen Stralsund, in dem jährlich über eine Million Tonnen Güter umgeschlagen werden. Die Nachfrage der Kreuzfahrtbranche rund um die Stralsunder Region ist ebenfalls gewachsen. Auch seegängige Kreuzfahrtschiffe bis zu 10.000 Bruttoregister fuhren in den vergangenen Jahren in den Sund zwischen Rügen und dem vorpommerschen Festland.
Für die Fahrgäste der Hafenrundfahrt verging die eine Stunde der Tour wie im Fluge. Die Weiße Flotte setzt auf Tradition und Gästeservice. Deshalb hat sie nach wie vor auf ihren Schiffen einen live-Kommentar eingerichtet. Während z.B. die Schifffahrt in Berlin in den letzten Jahren zumeist auf Tonkonserven setzt, um vielleicht ein paar Euro und kritische Seitenhiebe eines live Kommentars zu sparen, ist hier auf der Hafenrundfahrt in Stralsund die Welt noch in Ordnung.
Das Flair der alten Kneipe „Zur Fähre“
Älteste Kneipe von Stralsund "Zur Fähre"
Am Ende der Hafenrundfahrt auf dem Weg von der Fährbrücke in Richtung Alter Markt liegt die legendäre Kneipe „Zur Fähre“. Sie schmückt sich mit dem Titel „älteste Kneipe“ von Stralsund. Aber sie gilt sogar als eine der ältesten Wirtschaften Europas, die bis heute betrieben werden. Das wuchtige gelbe Haus wurde erstmals 1332 in Stadtbüchern beim Bau der Stadtmauer erwähnt. Es hat den besonderen Charme, dass es sich eine Außenwand mit der Stadtmauer teilt. Das mittelalterliche Fachwerk und Sammlerstücke aus der jahrhundertelangen Kneipengeschichte sorgen für das besondere Flair. In der langen Kneipengeschichte ist erstmals eine Frau Eigentümerin. Seit 1999 hat Hanni Höpner die Regie über die Zapfhähne übernommen
Eine Spezialität ist das berühmte „Fährwasser“, ein Kümmelschnaps, der nur hier ausgeschenkt wird. Die Kneipe ist ab 18 Uhr geöffnet, dafür aber täglich.
Historisches Ambiente mit 4 Sternen
Hotel Scheelehof
Wer den Hauch des Mittelalters und die hanseatische Baukunst mag, der wird in der Fährstraße im Hotel „Scheelehof“ fündig. Dem Romantik Hotel ist es gelungen, fünf historische Gebäude aus verschiedenen Jahrhunderten zu sanieren und mit dem Komfort eines 4 Sterne Superior Hotels auszustatten. Hier kann der Gast in wahrhaft historischem Ambiente logieren, erlesen speisen und trinken und sich bei Wellness und Sauna erholen. Zu Corona-Zeiten entfällt wie in jedem Hotel auch im „Scheelehof“ das Frühstücksbuffet. Jeder Gast kann am Vorabend per Tablet im Zimmer sein Frühstück für den nächsten Morgen bestellen, das dann am Tisch serviert wird. Auch da ist dann trotz moderner Bestelltechnik wie beim Schiff oder Museum etwas Geduld gefragt. Zeit, die der Gast nutzen kann, die stilvolle Architektur zu bewundern.
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