CTOUR-Medientreff im Humboldt Forum im Berliner Schloss
Schlüterhof im Berliner Schloss
Der neue Medientreff vom Club der Tourismus Journalisten Berlin (CTOUR) wurde wieder in der Mitte der Stadt Berlin veranstaltet. An dem Ort, wo früher das Schloss als Residenz der brandenburgischen Kurfürsten, preußischen Könige und deutschen Kaiser stand. Das Schloss ist wieder auferstanden, und mit ihm das Humboldt Forum als zentraler Ort für Kultur und Wissenschaft. Am 20. Juli fand mit politischer Prominenz Corona bedingt im Freien auf dem Schlossplatz ein Festakt statt, mit dem das Humboldt Forum für das Publikum eröffnet wurde. Das war übrigens schon die vierte Eröffnung, nach ersten Feiern im November und Dezember 2020 und der Eröffnung von Schlüterhof und Schloss-Passage am 9. Juni 2021. Am 10. August hatten dann die Reisejournalisten von CTOUR zu einem Rundgang eingeladen und insgesamt 40 Mitglieder und Journalistenkollegen einschließlich zwei Kamera-Teams nahmen teil. Erfreulich viel Zuspruch für die CTOUR Veranstaltung. Die Einladung hatte auch insofern große Anziehungskraft, weil derzeit die Besichtigung eines Teils der sechs Ausstellungen im Humboldt Forum nur mit einem vorab gebuchten Zeitfenster-Ticket vorgenommen werden kann. Da hat der Erwerb eines online-Tickets immer auch etwas von einem Lotteriespiel.
Der Geniestreich einer Schloss-Attrappe
Portalbekrönung des Innenportals IV der Passage Marc Schnurbus vom Förderverein Berliner Schloss mit CTOURisten
Der erste Teil des Rundgangs wird vom Förderverein Berliner Schloss e.V. bestritten. Leider ist Wilhelm von Boddien, der Gründer, langjährige Vorsitzende und immer noch Geschäftsführer des Fördervereins erkrankt. Es wäre für viele CTOUR Journalisten ein angenehmes Déjà-vu gewesen. Denn Boddien hatte vor knapp einem Jahr auch bei einem CTOUR-Medientreff viel Interessantes zu berichten, über die barocken Schloss-Fassaden, so manches generell zum Werdegang des Projektes des Wiederaufbaus vom Berliner Schloss in dieser Form und nicht zuletzt über die Spenden-Aktionen.
In die Rolle des Schloss-Erklärers schlüpfte der beim Förderverein angestellte Kunsthistoriker Marc Schnurbus, der den Schlossvisionär kaum vermissen ließ. Er fand auch Gelegenheit, die Anfänge und den Werdegang des wieder erstandenen und heute gefeierten Schloss-Bauwerkes zu erzählen. Sie haben viel mit dem Leben und der Willensstärke von Wilhelm von Boddien zu tun. Wie der Gymnasiast Boddien aus Hamburg Reinbek vor 60 Jahren bei einem Schülerbesuch in Ostberlin Mitte das für ihn "historische Loch" der abgerissenen Schloss Ruine sah und von einem Wiederaufbau träumte. Wie er nach der politischen Wende dazu einen Freundeskreis etablierte, Konzepte entwarf. Wie er schließlich auf die Idee kam, in Berlin eine Schloss-Attrappe zu bauen, geradezu "ein Geniestreich", so Schnurbus, um das Schloss aus der Vergessenheit zurückzuholen. Jetzt konnte der Förderverein zunehmend Sponsoren gewinnen und erfolgreich Spenden sammeln. Derzeit liegt die gespendete Summe bei 110 Millionen Euro. Zusammen mit der Summe vom Bund über 590 Mio Euro und vom Land Berlin von 30 Mio Euro liegen die Gesamtkosten für das Humboldt Forum im Berliner Schloss nunmehr bei 710 Mio Euro, so die Aussage vom Pressesprecher der Stiftung Humboldt Forum Berliner Schloss, Michael Mathis.
Während sich bei der Eröffnung im Juli Politiker und Edel-Beamte aus Berlin energisch auf Prominenten-Fotos platzierten, war doch ihre tatkräftige Unterstützung sowohl in der Vorbereitung wie in den Bauphasen des Großprojektes oft eher verhalten. Eigentlich hätte auf den Fotos mittig in der ersten Reihe Wilhelm von Boddien ein Platz zugestanden. Ohne ihn hätte es all das sehr wahrscheinlich nicht gegeben.
Einen großen Raum nahmen bei dem Rundgang der enorme baulich architektonische Aufwand und die kunsthandwerkliche Akribie ein, die hier an den Tag gelegt werden mussten. Dabei halfen schon bei den Barock-Fassaden die Erfindung der Messbild-Fotografie Anfang des vorigen Jahrhunderts sowie insgesamt 4.000 Fotos, die noch vor der Sprengung der Schloss-Ruine entstanden und die 1991 in einem Archiv der Denkmalpflege aufgespürt wurden (https://magazin.ctour.de/?s=Ronald+Keusch+Berliner+Schloss). Später tauchten auch sogenannte Handvermessungsstücklisten aus dem Jahr 1879 mit 60.000 Grundrissdaten mit Höhenschnitt vom Berliner Schloss auf, die die Ergebnisse der Messbild-Fotografie bestätigten, mit einer Abweichung vom Original von weniger als einem Prozent. Davon profitierten auch die Portale und Innenhöfe mit etwa 2000 Stuck-Elementen, darunter 47 Adler, die mit insgesamt 32 unterschiedlichen Typen und Haltungen rekonstruiert werden mussten. So wird auch die Geschichte erzählt von der Vielzahl von unterschiedlichen Bukranien aus Sandstein und den Schmuck-Ornamenten, die nicht nur die Fassaden, sondern auch die Innenhöfe zieren. Sie wurden mit Robotertechnik, mit zehn computergesteuerten Fräsen zugeschnitten und erledigten 90 Prozent der Arbeit. Die Bildhauer stellten dann in Handarbeit individuell die Arbeiten fertig.
Für eine Spende fiel die Löwenmähne
Gerettete originale Skulpturen vom Berliner Schlosses im Skulpturensaal
Natürlich kommt da die Frage bei Journalisten auf, ob dieser immense Aufwand für ein neues Gebäude tatsächlich dringend erforderlich sei. Kunsthistoriker Marc Schnurbus: Die Großspender wollten authentische Skulpturen. Darüber hinaus lautete der Anspruch, wenn schon nicht das komplette bauliche Erbe des Schlosses entsteht, sollte zumindest eine authentische Rekonstruktion auf höchstem Niveau erfolgen. Es gibt auch offiziell eine Ausnahme, wie Kunsthistoriker Schnurbus schmunzelnd erzählt, bei der Spende der in Berlin bekannten Autohändlerin und Rallyefahrerin Heidi Hetzer. Sie wollte 2017 einen Löwenkopf aus Sandstein im Wert von 2500 Euro spenden. Bei ihrer Weltreise mit einem Oldtimer-Auto hatte sie auch die Löwen in der Savanne ausführlich beobachtet. Die männlichen Löwen schlafen fast nur, während die Löwinnen auf der Jagd sind und ihren Nachwuchs fürs Jagen trainieren. Sie wollte deshalb einen weiblichen Löwenkopf haben, so ihre Begründung und sollte ihn auch bekommen. So schlug sie dann höchstpersönlich mit dem Eisen eines Bildhauers von einem Sandstein-Kopf die Löwenmähne ab und schuf sozusagen ein Unikat. Heidi Hetzer, verstorben 2019, sorgte für diese amüsante Schloss-Geschichte: Von den etwa 500 Löwenköpfen der Fassade sieht einer nun ganz anders aus. Standort Schlüterhof über dem Portal 1 links, sehr weit oben.
Ein Erlebnis ist die "festlich feierliche Pracht" (Die Welt), die der Schlüterhof ausstrahlt, benannt nach dem Architekten des Schlosses Andreas Schlüter. An diesem sonnigen August-Sommertag kann der Besucher schon etwas von italienischem Flair spüren, wozu vielleicht auch die Restaurant- und Cafe-Tische unter Sonnenschirmen beitragen. Insgesamt sollen acht Gaststätten einschließlich ein Dach-Restaurant die Besucher mit Getränken und gediegener Kulinarik versorgen. Derzeit sind zwei geöffnet.
Geradezu genial sind die Sichtachsen, auf die Kunsthistoriker Schnurbus mit großer Hochachtung vor den früheren Baumeistern verweist. Es gibt wieder den Blick auf dieses entstehende Stadt-Ensemble in der Mitte von Berlin, auf das von Karl Friedrich Schinkel gebaute Alte Museum und die historischen Bauten in Blickrichtung Kreuzberg. Hier wird Schnurbus auch die Frage gestellt nach dem russischen Bildhauer deutscher Abstammung Peter Clodt und seiner berühmten Figurengruppe der "Rossebändiger". Vier Rossebändiger schmücken in Petersburg die Anitschkow-Brücke. Zwei der Skulpturen hatte Zar Nikolaus I. dem Preußenkönig Wilhelm IV im Jahr 1842 bei einem Besuch in Petersburg geschenkt. Den zwei Rossbändigern wurde dann auf der Lustgartenseite vor dem Berliner Schloss ein Ehrenplatz eingeräumt. Im Jahr 1945 brachten die Alliierten die beiden Statuen in den Berliner Kleistpark, wo sich damals der Kontrollrat der Siegermächte befand und wo sie heute noch zu bewundern sind. Werden die Skulpturen an ihren angestammten Platz zurückkehren? Es soll wohl auch eine finanzielle Frage sein.
Es bleibt also noch viel zu tun für den Förderverein des Berliner Schlosses. Nach der Fertigstellung der äußeren Gestalt des Schlosses hat dieser sich das Ziel gesetzt, eine der schönsten Raumschöpfungen Andreas Schlüters, das Gigantentreppenhaus, wiedererstehen zu lassen. Rund zwei Drittel der dafür veranschlagten 22 Mio Baukosten hat der Förderverein schon eingeworben. Der Treppenraum existiert als Hohlkörper bereits in seinen originalen Abmessungen. Der an der Stelle heute eingebaute Skulpturensaal ist bereits mit einer Glaswand von den Ausstellungen im Humboldt Forum abgetrennt, so dass der Einbau der Treppe den Betrieb der Museen kaum beeinträchtigen würde. Gegenwärtig gibt es aber für dieses Bauvorhaben kein grünes Licht von unseren Politikern. Wäre das nicht ein Grund für unseren Berliner Senat ihr dürftiges Engagement für das Berliner Schloss etwas aufzustocken? Woher nehmen? Vielleicht schauen sich unsere Berliner Beamten einfach mal ein paar der Spar-Vorschläge des Bundes der Steuerzahler an. https://steuerzahler.de/berlin/pressespiegel/?L=0
Skulpturensaal an der Stelle der Gigantentreppe
Ein Kunstbezirk für die Kunst der Weltgemeinschaft
Aufgang zur im September eröffnenden Ausstellung Asiatische Kunst
Der Rundgang für den Medientreff setzte sich dann im Humboldt Forum mit seinem umfangreichen Ausstellungsbereich fort. Begleitet von kompetenten Mitarbeitern mit vielen interessanten Informationen wird heute wie künftig deutlich, dass das Humboldt Forum zusammen mit der Museumsinsel einen Kulturbezirk entstehen lässt für die Kunst der Regionen und Epochen der Weltgemeinschaft. Ein größeres Publikum wird die Attraktivität all der Kunst-Sammlungen entdecken können, die lange Jahre in Berlin-Dahlem teilweise ein Nischendasein führten. Noch sind allerdings nicht alle geplanten Ausstellungen geöffnet. Ab 22. September dieses Jahres wird im zweiten und dritten Obergeschoss zunächst etwa die Hälfte der außereuropäischen Kunstwerke zu betrachten sein. Weitere Eröffnungen sollen im Frühsommer 2022 folgen. Dann werden wir vermutlich, wie Journalistenkollegen mitgezählt haben, die mindestens sechste Eröffnung vom Humboldt Forum feiern dürfen. In wechselnden Ausstellungen sollen künftig bis zu 20.000 Exponate zu sehen sein.
Jetzt schon können sich die Berliner und Touristen auf die Nacht der Museen und das schon traditionelle Festival of Lights freuen, wo das Humboldt-Forum naturgemäß einen wichtigen Part übernimmt. Außerdem ist der Schlüterhof rund um die Uhr zu bestaunen.
Als guter Start für die erste Entdeckung des Humboldt Forum im Schloss wird der Besuch der Ausstellung "Geschichte des Ortes" empfohlen. Mit gutem Grund. Auf einem 27 Meter breiten und vier Meter hohen Bildband ist 14 Minuten lang ein Panorama in Videoschnipseln, Bildern und ganz kurzen Textpassagen zusammengestellt. Es präsentiert den Ort des Berliner Schlosses als eine Baustelle der Macht. Das Bild- und Videomaterial zeigt nicht nur das Berliner Schloss, sondern den Abriss des zerstörten Schlosses, den Platz von Tribünen und Demonstrationen, den Palast der Republik und dessen Abriss sowie das derzeitige Humboldt Forum, die neue Baustelle der Macht.
Historisches Kellergewölbe unter dem Eosanderportal
Einheits-Wippe lässt auf sich warten
Nicht erwähnt ist das immer noch im Bau befindliche Freiheits- und Einheitsdenkmal, im Berlin-Jargon kurz Einheits-Wippe genannt, das direkt vor das Humboldt-Forum in Blickrichtung Straße Unter den Linden gesetzt werden soll. In der Treppenhalle ist noch für die Ostberliner eine Erinnerung an den Palast der Republik platziert. Zum einen Piktogramme, entworfen im Jahr 1976 von Professor Klaus Wittkugel von der Kunsthochschule Berlin Weißensee. Und zum anderen ist vorgesehen, das Gemälde "Guten Tag" von Wolfgang Mattheuer wieder zu präsentieren, das bis 1990 in einer Serie mit anderen DDR-Künstlern unter dem Titel "Wenn Kommunisten träumen" zu sehen war.
Im früheren Schlosshof ist jetzt das modern gestaltete Foyer wie eine barocke Bühne eingerichtet mit Kassen, Informationen und einem imposanten Medienturm. "Viele Besucher wissen gar nicht, was sie alles erwartet", bedauert einer der Pressesprecher die derzeitige Situation um das Humboldt Forum. Ein Resümee in meinem Artikel vor einem knappen Jahr lautete: "Ungeachtet von vielem Hin und Her, Pro und Contra, hohen Kosten und Dilettantismus rund um Schloss, Palast und Wiederaufbau von Teilen des Schlosses spricht manches dafür, dass sich die Berliner und erst recht die Besucher der Stadt mit dem jetzigen Humboldt Forum mehrheitlich versöhnen." Und heute im August 2021 ist zu ergänzen: Es spricht sogar sehr viel mehr dafür, dass die Berliner und erst recht die Besucher der Stadt dieses Bauwerk in Berlins Mitte annehmen werden.
Piktogramme aus dem ehemaligen Palast der Republik Eingang zum Großen Foyer des Humboldt Forum und Informationssäule
Nachtrag mit Blick in die Zukunft:
Nach der Sprengung des Schlosses (1951) und später dem Abriss des Palastes der Republik (2006 bis 2008), planen einige Aktivisten, vermutlich extreme Liebhaber des Palastes, im Jahr 2050 das Humboldt Forum zu schleifen und den Palast der Republik wieder zu errichten. Keine Satire, die Aktivisten meinen es ernst.
Das ist der gleiche Zeitpunkt, bis zu dem die Präsidentin, Ursula von der Leyen, die EU zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt machen will. Unsere Enkel erwarten spannende Zeiten.
Fotos: Hans-Peter Gaul (8), Ronald Keusch (2)
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