Zur Inszenierung von Händels Oratorium „Hercules“ an der Komischen Oper
Szenenbild von "Hercules" © Komische Oper / Monika Rittershaus
Liebe, Eifersucht und ein Mord wider Willen sind die Zutaten des dramatischen Oratoriums „Hercules“ von Georg Friedrich Händel, das aktuell das Publikum der Komischen Oper Berlin in seiner Ausweichstätte im Schillertheater über drei Stunden in seinen Bann zieht. Was natürlich in erster Linie der aufwühlenden Musik des Barockkomponisten geschuldet ist, aber auch der überaus intensiven, ja spannenden Inszenierung. Regisseur Barrie Kosky widmet sich nach „Semele“ im gleichen Haus mit „Hercules“ einem weiteren der hierzulande selten szenisch zu erlebenden Händel-Oratorien, das heute als sein schönstes gilt. Kaum zu glauben, dass es zur Uraufführung in London im Jahre 1745 total durchfiel und lange Zeit nicht mehr aufgeführt wurde. Die dramatische Kraft des Werks für die Bühne wurde eigentlich erst im 19.Jahrhundert neu entdeckt.
Kosky – der inzwischen international Kultstatus besitzt – gestaltet die Geschichte über die tödliche Macht der Eifersucht als Parabel auf die menschliche Schwäche. Eigentlich ein Kammerspiel, eher eine intime Familiengeschichte als eine antike Götter-Tragödie, reduziert auf das Wesentliche und kommentiert von stimmgewaltigen Chören (David Cavelius).
© Komische Oper / Monika Rittershaus
Das minimalistische Bühnenbild (Katrin Lea Tag) rückt die komplexen Charaktere und ihre widersprüchlichen Emotionen in den Fokus. Denn es ist nichts so, wie es scheint. Hercules, in der Mythologie häufig als starker Held dargestellt, ist seit einem siegreichen Krieg traumatisiert. Doch er vertraut sich seiner Frau nicht an und in diesem fehlenden Vertrauen findet sich schließlich der Grund für seinen Untergang.
Im Zentrum des Geschehens steht also eigentlich nicht der antike Titelheld, sondern dessen Gattin Dejanira (Paula Murrihy). Das Warten auf die Rückkehr ihres geliebten Hercules (Brandon Cedel) von seinen Eroberungszügen hat sie schier in den Wahnsinn getrieben. Als er endlich heimkehrt, kann Dejanira nicht glauben, dass ihr Mann Iole (Penny Sofroniadou), die Tochter des besiegten Königs, ohne Hintergedanken mit an den heimatlichen Hof gebracht hat.
© Komische Oper / Monika Rittershaus
Dejaniras Eifersucht ist zwar grundlos, doch versucht sie die Liebe ihres Mannes – die sie nie verloren hat – mit einem Geschenk wieder zu gewinnen. Das kostbare Gewand aber, das ihr ein bösartiger Zentaur hinterhältig untergeschoben hat, ist vergiftet und Hercules erleidet einen qualvollen Tod, der sie in den Wahnsinn treibt. Ihr Sohn Hyllus (Caspar Singh) hingegen findet in der Liebe zu Iole sein Glück. Keine Schlussapotheose aber ein versöhnliches Ende.
Barrie Kosky hat das Werk sicher auch für seine Hauptdarstellerin Paula Murrihy ausgewählt und ganz auf sie zugeschnitten. Die irische Mezzosopranistin bezeichnet er als sensationell und das ist sie auch. Scheinbar mühelos brilliert sie sängerisch mit anspruchsvollsten virtuosen Koloraturen, beeindruckt darstellerisch mit allen Facetten menschlicher Gefühle, von anrührender leiser Traurigkeit bis zu atemberaubend expressiven Tragik-Ausbrüchen. Ein Triumph der Sängerin, flankiert von einem ebenbürtigen Solistenensemble, dem wuchtigen wohlklingenden Chor und einem sehr wandlungsfähigen Orchester, das unter seinem Dirigenten David Bates die barocken Klangfarben überzeugend darstellen konnte.
Ein nachhaltiges, berührendes Erlebnis, wenn man sich auf die ungewöhnlich lange Spieldauer einlässt. Ganz großes Theater!
Schlussapplaus © Ingrid Müller-Mertens
Weitere Vorstellungen in dieser Spielzeit noch am 29. März und am 5. April.
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