Mitreißende Premiere von Kurt Weills Musical „Tom Sawyer“
Mississippi-Feeling in der Komischen Oper © Barbara Braun, Komische Oper Berlin
Nachdem der deutsch-jüdische Komponist Kurt Weill Mitte der 1930er Jahre in die USA emigrieren musste, konnte er im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen im Exil weiter erfolgreich arbeiten. Als auch in den USA bekannter Komponist der Bertolt-Brecht-Opern „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ und „Die Dreigroschenoper“ fand er vor allem in der Theaterlandschaft am Broadway günstige Bedingungen für die Umsetzung seiner Vorstellungen einer populären Musikdramatik: Mit Filmmusiken für Hollywood, aber auch den Musicals „Lady in the Dark“ (1941) und „One Touch of Venus“ (1943), konnte er am Broadway große Erfolge feiern.
1949 schrieb Weill fünf Songs für ein geplantes Musical nach Mark Twains Abenteuer-Roman „Tom Sawyer“, dem damals in den USA sehr populären Kinderbuchklassiker über Freundschaft, Abenteuer, das Erwachsenwerden und die erste zarte Liebe. Tragischerweise verstarb Weill 1950 mitten in den Vorbereitungen und konnte die Arbeit nicht mehr beenden. Mit Stücken aus den vorhandenen Skizzen Weills ergänzt und mit einer „entstaubten“ modernisierten Textfassung des Dramatikers John von Düffel feierte das Stück nun an der Komischen Oper Berlin mit großem Orchester (Musikalische Leitung Kai Tietje) seine späte Premiere.
Natürlich ist es nun politisch korrekt. Das böse „N-Wort“ kommt nicht mehr vor, statt „Injun“, einem Schimpfwort für Indianer heißt es nun „Indian“ und auch andere Stellen wurden „bereinigt“. Die Mordszene auf dem nächtlichen Friedhof ist so dezent wie möglich gehalten. Killer-Joes üble Tat als Schattenspiel etwas abgemildert. Schließlich ist die Oper ab sieben Jahren freigegeben. Für besorgte Eltern gibt es eine Triggerwarnung: „Spannendes Musiktheater für Kinder mit starken Nerven ab Grundschulalter!“
Huckleberry Finn (Michael Heller) und Tom Sawyer (Tom Schimon)
© Ingrid Müller-Mertens
In einer kleinen Stadt am Mississippi genießt Tom Sawyer (Tom Schimon) ein unbeschwertes Leben bei seiner Tante Polly. Seine größten Probleme: Jeden Tag in die Schule gehen zu müssen, Becky (Josefine Mindus), die ihn nicht mal anschaut und der Streber Alfred Temple (Ferdinand Keller). Eines Nachts aber werden Tom und sein bester Freund Huckleberry Finn (Michael Heller) Zeugen eines schauerlichen Mordes. Aus Furcht vor dem gefährlichen Täter schwören sie sich, keinem etwas zu verraten. Als der Verdacht dann aber auf den Falschen fällt, ist der Mut und der Zusammenhalt der beiden Jungen gefragt…
Liebevoll illustrierte amerikanische Pionierzeit-Idylle in nostalgischer Südstaaten-Kulisse (Stefan Rieckhoff), Broadway-Flair mit Swing und Jazz, typischer New-Orleans-Sound mit authentischen Instrumenten – inhaltlich ein sehr vergnügliches, pointenreiches und musikalisch mitreißendes Stück (Inszenierung Tobias Ribitzki) dessen Hauptdarsteller eigentlich der überaus spielfreudige, sängerisch hervorragende Kinderchor des Hauses (Leitung Dagmar Fiebach) ist.
Der Kinderchor der Komischen Oper © Barbara Braun, Komische Oper Berlin
Eine spannende, liebenswürdige Story um Tom Sawyer und seinen Freund Huckleberry Finn im ausgehenden 19.Jahrhundert. Abenteuerlust, echte Freundschaft und die Rebellion gegen die Erwachsenen, auch im 21. Jahrhundert nach wie vor aktuell und vom Publikum aller Altersstufen begeistert gefeiert.
Tom Sawyer
Kinderoper in zwei Akten [1950/2020]
Musik von Kurt Weill
Libretto von John von Düffel
Liedtexte von John von Düffel und Kai Tietje
Originalliedtexte von Maxwell Anderson und Ira Gershwin
Arrangement von Kai Tietje
Konzeption von Ulrich Lenz, Tobias Ribitzki, Kai Tietje und John von Düffel
In dieser Spielzeit noch bis zum 20. April in der Komischen Oper zu sehen !
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