Viktorianische Gebäude und moderne Wolkenkratzer
Besuch im bunten Melbourne und bei den Goldgräbern in Ballarat
April 2009
Melbourne - die Hauptstadt des Bundesstaates Victoria glänzt mit einer gelungenen Mischung an historischer und moderner Architektur
Melbourne empfängt seine Besucher im April mit kühlem australischem Herbstwetter und 17 Grad Celsius. Die Vier-Millionenstadt auf dem „Schönwetter-Kontinent“ schwächelt dieser Tage und wird durch Berlin mit 21 Grad mühelos geschlagen.
Die City Circle Tram verbreitet gute Laune
Gemessen an der Einwohnerzahl ist Melbourne nach Sydney die Nummer zwei. Aber für viele Australier und die weltweiten Besucher rangiert die Hauptstadt des Bundesstaates Victoria am Yarra-Fluss auf Platz eins. Wenige Tage Aufenthalt in Melbourne bestätigen die Wertung. Alte viktorianische Gebäude stehen neben modernen Wolkenkratzer mit riesigen Glasfronten. Melbourne ist Kultur- und Sportmetropole und auf den Straßen tummelt sich ein buntes Völkergemisch – Melbourne ist eine bunte Metropole.
Eines der markantesten Baudenkmale im Architekturstil der Neorenaissance ist der Flinders Street Bahnhof, der 1910 eingeweiht wurde.
Bahnhof Flinders Street im Architekturstil der Neorenaissance
Gegenüber auf dem belebten Federation Square erhebt sich eine poppige Glaskonstruktion: Sie ist das Dach des modernen Besucherzentrums von Melbourne, das darunter in einem geräumigen Kellergeschoß untergebracht ist.
Dach des Melbourne Besucherzentrums
Moderne Architektur am Federation Square
Wer die Leichtigkeit der Stadt spüren will, muss nur in die weinrot goldenen historischen Straßenbahnwaggons der City Circle Tram einsteigen. Die Fahrt ist kostenlos und die Touristenbahn rumpelt in aller Ruhe in einer großen Schleife durch die Innenstadt, mitten durch das geschäftige Treiben von Business-Frauen und -Männern und der Touristenscharen. Sie verkehrt von 10 bis 18 Uhr, gibt per Lautsprecher Hinweise auf Sehenswürdigkeiten und besingt sich dann selbst. Alle 10 bis 15 Minuten spielt ein Lied mit einem kleinen Text über diese Straßenbahn, der Tramsong. Entspanntes Lächeln bei den Passagieren.
Melbourne am Yarra-Fluss
Grüne Stadt Melbourne
Melbourne ist auch eine Stadt der Parks. Am Südufer des Yarra liegt der Königliche Botanische Garten. Er wurde schon 1846 angelegt und ist eine herrliche ruhige Oase mit Bäumen, Blumenbeeten, Seen und Rasenflächen in einem hügeligen Gelände, das sanft zum Fluss hin abfällt.
Im Botanischen Garten von Melbourne
Eine Dame mit Hut und wunderbare Stille im Botanischen Garten
Ganz im Zentrum von Melbourne liegen die Carlton Gardens. Sie sind ein herausragendes Beispiel der Landschaftsgestaltung im viktorianischen Stil mit ausgedehnten Rasenflächen und verschiedenen europäischen und australischen Bäumen. In ihrer Mitte steht das Royal Exhibition Building, welches 1880 nach Plänen des Architekten Joseph Reed im viktorianischen Stil erbaut wurde. Zahlreiche große internationale Ausstellungen fanden hier statt, unter anderem die Weltausstellung 1880/81 und die Centennial Exhibition 1888/89. Im Jahr 1901 wurde hier das erste australische Parlament offiziell eröffnet. In den 90er Jahren wurde das Gebäude dann restauriert und beherbergt seitdem verschiedene Ausstellungen des Melbourne Museums. Zusammen mit den Carlton Gardens wurde es 2004 als erstes Gebäude Australiens zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt.
Das Royal Exhibition Building in den Carlton Gardens
Große Übersicht auf dem Rialto-Tower
Wer die Größe und das schnelle Wachstum der Stadt sehen will, der muss sich auf den Rialto Tower begeben. Der Büroturm, der 13.000 Fenster haben soll, ist 253 Meter hoch und bietet eine Aussicht in alle Himmelsrichtungen. An den großen Fensterfronten der Aussichtsplattform sind große Leisten mit einem Fotopanorama angebracht, die die einzelnen Gebäude erklärt. Die Fotos stammen meist aus dem Jahr 2006 und obwohl nur drei Jahre alt, sind sie doch teilweise überholt wie alte Reiseführer. Allein in den Docklands sind manche Bauten einschließlich eines Heizkraftwerkes verschwunden und an ihre Stelle neue Gebäude entstanden. Manche Erklärungen haben mit dem Bautempo nicht Schritt gehalten.
Blick vom Rialto Tower auf Melbourne und den Yarra
Sicht vom Rialto Tower auf Melbourne mit dem Etihad Stadium und dem Victoria Hafen
Das Immigrations-Museum erzählt Geschichten
Sie haben ihr zu Hause und alles Bekannte verlassen und sich auf eine Reise ins Unbekannte aufgemacht. Das Immigrations-Museum in Melbourne erzählt ihre Geschichten. Die Stadt, in der 140 Nationalitäten ihre Heimat gefunden haben, ist der prädestinierte Ort für dieses Museum. Es spart auch nicht die Zeiten aus, als bestimmte Nationalitäten und Rassen bei der Einreise diskriminiert wurden. Beispielsweise wurden eine Zeit lang die Einwanderer aus Südeuropa wie Italien und Griechenland nicht gern gesehen. Und dennoch ist in Melbourne eine große Gemeinde von Griechen und Italienern gewachsen mit Restaurants und Espressomaschinen, auf die die Stadt heute stolz ist.
Im Immigrations-Museum ist auch das Staatswappen Australiens zu sehen. Es enthält in der Mitte unter dem siebenstrahligen Commonwealth Stern die Wappen der sechs Bundesstaaten und den Zweig einer Gold-Akazie, der Nationalpflanze Australiens. Das Schild wird von einem Roten Riesenkänguru und einem Emu gehalten. Beide Tiere wurden mit Bedacht gewählt, denn sie haben etwas gemeinsam. Sowohl das Känguru als auch der Emu können sich nicht rückwärts bewegen, sondern nur vorwärts. Sie repräsentieren damit den Wunsch, immer in die Zukunft zu blicken. Australien sieht sich selbst als eine Nation des Fortschritts, die den Blick nach vorne und nicht zurück richtet.
Staatswappen mit Känguru und Emu im Immigrations-Museum
Historischer Zweimaster vor der Hafenstadt Geelong
Australien ist auch heute noch Einwanderungsland. In den zehn Jahren 2000-2009 wurde knapp einer Million Immigranten die Staatsbürgerschaft verliehen – bei 22 Millionen Gesamtbevölkerung. Insgesamt leben 6 Millionen Migranten in Australien, die in über 200 anderen Ländern geboren wurden, das sind 27% der Bevölkerung. Im Einbürgerungsprozess müssen die Immigranten übrigens ein Gelübde ablegen.
From this time forward, under God*
I pledge my loyalty to Australia and its people,
whose democratic beliefs I share,
whose rights and liberties I respect,
and whose laws I will uphold and obey.
* A person may choose whether or not to use the words ‘under God’
Von nun an, unter Gott*
verpflichte ich mich zur Treue gegenüber Australien und seinem Volk,
dessen demokratische Überzeugungen ich teile,
dessen Rechte und Freiheiten ich respektiere,
und dessen Gesetze ich achten und befolgen werde.
* Es steht jeder Person frei, ob sie die Worte "unter Gott" verwenden möchte
oder nicht.
Übrigens begann die Geschichte der Stadt Melbourne im Mai 1835. Da kaufte ein britischer Siedler von den hier lebenden Aborigines für Hemden, Werkzeug und ein paar Spiegel ein riesiges Gebiet von 240.000 Hektar. Nur 15 Jahre später wurde nördlich von Melbourne Gold gefunden und der Hafen der Stadt entwickelte sich zum größten Umschlagplatz für alles rund um den Goldrausch. Es ist für mich nur schwer vorstellbar, dass noch vor knapp 180 Jahren hier nur einige Hütten existierten.
Im Freiluftmuseum in Ballarat
Die Goldgräberstadt Ballarat
Mit der Entdeckung von Gold im Jahr 1851 entwickelte sich aus dem verschlafenen Ort der Viehzüchter Ballarat eine pulsierende Goldgräberstadt. Viele zehntausende Abenteurer aus mehr als 20 Ländern kamen hierher, um schnell reich zu werden. Ein klein wenig kann der Besucher das harte und oft elende Leben der Goldsucher nachempfinden. Auf einer 25 Hektar großen Fläche wurde ein lebendiges Museum, der „Sovereign Hill“ aufgebaut, in dem mehrere Dutzend originalgetreu eingekleidete Statisten als Goldgräber, Händler, Blechschmied, Töpfer, Kerzenzieher und Damen aus dem Saloon zu treffen sind.
Die Touristen dürfen auch beim Goldgießen zuschauen und natürlich ein wenig Goldwaschen. Betrachte ich dabei die ernsten und angestrengten Gesichter der Hobby-Goldwäscher, wird mir eines klar: Nur Gold konnte der Stoff sein, der viele tausende Menschen die großen Entbehrungen in den Goldminen ertragen ließ.
Ein kleines Spektakel für die Touristen ereignet sich um die Mittagszeit. Dann marschiert ein halbes Dutzend Soldaten, die englischen Rotröcke, auf den Marktplatz.
Jeder kann mit einer Pfanne aus dem Wasser Gold waschen
Statisten spielen den Alltag der Goldgräbersiedlung im 19. Jahrhundert
Eureka-Aufstand in der Goldmine
An einen Auftritt der Rotröcke ohne Beifall, aber mit viel Blut erinnert ein nicht weit entferntes großes modern eingerichtetes Museum, das Eureka-Center. 1851 hatte die Kolonialregierung von Victoria hohe Schürflizenzen eingeführt und brutal eingetrieben. Im Dezember 1854 leisteten 150 Goldgräber Widerstand, wollten Mitspracherechte und bauten Barrikaden. Der Aufstand wurde von 300 Soldaten und Polizisten niedergeschlagen, 25 Goldgräber starben, viele wurden eingekerkert.
Die Goldgräber verloren die Schlacht, gewannen aber die Sympathie der Melbourner Bevölkerung, ihre Reformvorschläge wurden teilweise berücksichtigt und die wegen Hochverrats Angeklagten wurden vor Gericht freigesprochen. In Australien wird der Eureka-Aufstand als ein Beitrag zum Kampf um das Recht der freien Meinungsäußerung gefeiert. Der australische Medienzar Robert Murdoch wird für die Goldgräber-Revolte ein freundliches und patriotisches Lächeln bereit haben.
Der Eureka Stockade Memorial Park mit Eureka-Flagge
Abschied von Australien an einem Kunstwerk
Abschied nehmen von Australien in Melbourne an einem Kunstwerk mit dem Titel „Scars - a stolen vision“. Diese Installation wurde anlässlich der Einhundertjahrfeier der australischen Föderation 2002 von Aborigines-Künstlern geschaffen. Sie schnitzten in das Holz von Eukalyptusbäumen, aus denen die Ureinwohner früher ihre Boote und Speere herstellten, ihre Verletzungen und ihren kollektiven Schmerz. Die Linien, Punkte und einzelnen Farbflächen stehen für ihre Erinnerungen und Empfindungen. Australien und auch seine Besucher können die Wunden, die die Ureinwohner erlitten haben, nicht ignorieren.
Schroffe Küste am Point Nepean, der Spitze der Mornington Peninsula
Abschied von Australiens Naturschönheit
Abschied nehmen von Australien auf der Halbinsel Mornington Peninsula im Südosten von Melbourne. Die Halbinsel ist ein beliebtes Ausflugsziel für die Melbourner mit vielen Campingplätzen und bunten Strandhäusern. Mit der ihr gegenüberliegenden Bellarine Peninsula umschließt sie eine Melbourne vorgelagerte natürliche Bucht, die Port Philipp Bay.
An der Melbourne zugewandten windgeschützten Seite der Halbinsel reiht sich Strand and Strand. In dem kleinen Ort Sorrento liegen dutzende Segelboote.
Ganz anders sieht die dem Meer zugewandte Seite aus. Von der Spitze der Halbinsel, dem Point Nepean im gleichnamigen Nationalpark mit einem ehemaligen Fort, bis zum Cape Schanck zeigt sich eine schroffe Küstenlinie mit Klippen und steinigen Surfstränden, auf die meterhohe Wellen schlagen. Von den zahlreichen Wanderwegen eröffnen sich immer neue Sichten auf die felsige Küste und den Ozean.
Am Cape Schanck
Am Cape Schanck
Und wenn man dann von der stürmischen Brise richtig durchgeblasen ist, kann man sich in einem der Cafes in Sorrento wieder aufwärmen oder in einer der mehr als 50 Weinkellereien der Mornington Peninsula einen lokalen Wein genießen.
Die Aussicht über die Port Phillip Bay auf Melbourne ist fantastisch schön. Sie versprach damals den Deportierten und Einwanderern, den Flüchtlingen und Goldsuchern glückliche Zeiten in Australien und die gleiche Aussicht verspricht es heute den Touristen.
Blick von der Mornington Peninsula auf die Port Phillip Bay und die Skyline von Melbourne