Besichtigung eines Alptraums – Killing Fields
Der Kaiserpalast und die Gedenkstätten des Terrors der Roten Khmer in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh
Dezember 2010
Gedenkstätte auf den Killing Fields bei Choeung Ek
Die Fahrt auf dem Mekong mit dem Touristenschiff „Lan Diep“ vom Bonner Reiseveranstalter phoenix macht in jedem Fall in der Hauptstadt Kambodschas Phnom Penh Station. In der Stadt ist noch die Handschrift aus der mehr als hundertjährigen Kolonialzeit Frankreichs zu entdecken. Das sind die breit angelegten Boulevards, alte Kolonialbauten und Villen aus dieser vergangenen Zeit, die das Stadtbild am Zusammenfluss des Flusses Tonle Sap mit dem Mekong prägen. Bürgersteige sind eher Mangelware, abgesehen von einigen Prachtstraßen der Stadt mit vier Millionen Einwohnern.
Typisches Straßenbild von Phnom Penh
Hauptpostamt in Phnom Penh
Unzählige Händler, Handwerker und Mini-Garküchen stehen dicht an dicht in teilweise kleinen Verschlägen und schmalen Läden, deren Waren bis zum Straßenrand verteilt sind. Der für den ausländischen Besucher auf den ersten Blick exotische Anstrich ist sehr dünn. Sehr schnell wird jedem deutlich, der es sehen will, dass selbst hier im Zentrum von Phnom Penh mindestens ein Viertel der Kambodschaner unter der Armutsgrenze leben müssen. Dennoch hat die Stadt ihre Mixtur aus Exotik und französischem Flair bewahren können.
Markt in Phnom Penh
Silberpagode mit Fußboden aus Silberfliesen
Die unverkennbare Attraktion der Stadt ist der Königspalast, zu dem auch die Silberpagode gehört. Der Palast liegt am Tonle-Sap-Ufer und wurde zwischen 1866 und 1870 von König Norodom erbaut. Er dient seither der königlichen Familie als Wohnsitz, nur unterbrochen durch die Zeit der Schreckensherrschaft der Roten Khmer, die der Monarch im Exil verbrachte.
Der Chan Chhaya oder Mondlicht-Pavillon im Königspalast
Die Schatzkammer im Königspalast
Im Zentrum des Königspalastes liegt der Thronsaal, der auch heute noch für königliche Zeremonien wie Krönungen und Hochzeiten sowie für Empfänge des Königs genutzt wird. An den Palastkomplex schließt sich die Silberpagode an, ein königlicher Tempel, der viele Schätze beherbergt, unter anderem einen Kristall-Buddha und eine lebensgroße Buddha-Statue, die mit über 9.500 Diamanten besetzt ist.
Während der Herrschaft von König Sihanouk vor der Zeit der Roten Khmer wurde die Silberpagode mit mehr als 5.000 Silberfliesen verziert und ein Teil der Außenfassade mit italienischem Marmor neu gestaltet.
Thronsaal des Königspalastes
Die Silberpagode auf dem Gelände des Königspalastes
Stupas auf dem Gelände des Königspalastes
Die Buddha-Figur des Wat Phnom überlebte
Eine der fünf Pagoden der Stadt thront auf einem knapp 30 Meter hohen Hügel - das Wat Phnom. Wat bedeutet so viel wie Tempel und Phnom Hügel. Während der Herrschaft von Pol Pot vor 35 Jahren wurde jeder Kambodschaner, der sich dem Tempel näherte, mit dem Tod bedroht. Außerdem sollte der Tempel abgerissen und anstelle der Buddha-Statue die Figur von Pol Pot gesetzt werden.
Der Wat Phnom Hügel
Doch das menschenverachtende Regime wurde durch vietnamesische Truppen Anfang Januar 1979 beendet, das kambodschanische Volk gerettet, Pol Pot floh in den Dschungel und die Buddha-Figur thront weiter auf Wat Phnom über der Hauptstadt. Heute werden zwischen den verschiedenen Buddha-Figuren und hunderten brennenden Weihrauchstäbchen auf einem Elefanten bunt angezogene Touristen am Fuße des Berges herumgeschaukelt.
Im Tempel auf dem Wat Phnom Hügel
Elefanten-Reiten für Touristen am Wat Phnom Hügel
Tempel Wat Phnom
Stätten des Gedenkens für die Opfer
Viele Touristen interessieren sich für das Thema des Massenmordes am kambodschanischen Volk durch das Pol-Pot-Regime. Sollten deshalb die Plätze, wo millionenfacher Mord an der Bevölkerung verübt wurde, auf dem Programm der Sightseeing-Touren stehen?
Die Kambodschaner haben einige der Mordstätten für die Besucher als Stätten des Gedenkens eingerichtet. Die große Zahl der Besucher belegt ihr Interesse und ihre Anteilnahme. Niemand soll sich vor der Vergangenheit wegducken, auch nicht die Besucher aus aller Welt.
Für die Bewohner der Hauptstadt Phnom Penh begann die Herrschaft der Roten Khmer im April 1975 mit einem Alptraum. Die oft erst halbwüchsigen Soldaten des Pol-Pot-Regimes räumten die Stadt und trieben innerhalb von zwei Tagen zwei Millionen Menschen zum Anbau von Reis aufs Land. Lebensfremde und menschenverachtende Theorien vom „Supersprung“ führten letztlich zum millionenfachen Sterben.
Folterstätte Tuol Sleng
Penible Dokumentation der Opfer - letzte Fotos
Eine Schule wurde in eine Folterhöhle verwandelt
Die Zeitreise der Touristen in die mörderische Pol Pot-Epoche in Phnom Penh beginnt im Völkermordmuseum Tuol Sleng, heute das bekannteste Genozid-Museum in Kambodscha.
Hier im Südwesten der Stadt war von den Roten Khmer eine Oberschule mit ihren Klassenzimmern zu einem Gefängnis umgebaut worden. Mitten in einem Wohnviertel entstand das berüchtigte Gefängnis S-21. Die winzigen Einzelzellen waren mit Verdächtigen vollgestopft. Und verdächtig machten sich im Regime der Roten Khmer sehr viele, vor allem Intellektuelle, Militärs und nicht zuletzt die eigenen Anhänger. Im Durchschnitt waren hier 1500 Häftlinge eingesperrt. Dazu wurden winzige Zellen in den ehemaligen Klassenzimmern errichtet. Andere Gefangene lagen aneinander gekettet auf dem Fußboden. Nahezu alle Gefangenen, darunter auch Frauen und Jugendliche, erwartete nach erzwungenen Geständnissen durch Folter der Tod.
Besonders eindrucksvoll sind tausende von kleinen Fotos von den Inhaftierten, die in den ehemaligen Gefängnisräumen auf großen Bildwänden zu sehen sind.
Das Mordregime hielt auf Ordnung und ließ von jedem Gefangenen ein Foto machen. Für nahezu alle Inhaftierten, die den Besucher ängstlich, manchmal auch trotzig oder nur müde anschauen, war dieses Foto bei der Einweisung in das Gefängnis das letzte Bild von ihnen. Und so reihen sich Bildwand an Bildwand tausende Opfer. Eindrucksvoll sind die naiven und sehr einfachen Gemälde, die der Maler Vann Nath, ebenfalls in einem Lager der Roten Khmer inhaftiert, nach seiner Befreiung angefertigt hat. Auch sie haben im Museum einen Platz gefunden. Bedrückende Zeugnisse eines Menschen mordenden Regimes.
Folterstätte Tuol Sleng
Ein Pagodenturm mit Menschenschädeln erinnert an die Opfer
Die dem Tode Geweihten des Gefängnisses wurden per LKW zu den Killing Fields bei Choeung Ek transportiert. Dieses Todesgelände, auf dem sich früher ein chinesischer Friedhof befand, lag 15 Kilometer von Phnom Penh entfernt. In der nur kurzen Herrschaft der Roten Khmer von dreieinhalb Jahren starben hier 17.000 Menschen, die in 129 Massengräbern verscharrt wurden. Nur sieben Menschen sollen überlebt haben. Auf dem Gelände der Killing Fields ist ein Pagoden-Turm mit Glasfronten errichtet, in dem in mehreren Etagen unzählige Menschenschädel aufgeschichtet sind. Alle Opfer wurden erschlagen. Die zynische Begrünung lautete, Patronen müsse man für den Kampf und Sieg der Revolution aufsparen. Ein düsteres Bild, das Touristen, die mit Fotoapparaten herumwuseln, nicht wirklich aufhellen.
Pagodenturm auf den Killing Fields
Totenschädel im Pagodenturm
Noch makabrer ist es, dass bisher nur ein einziger der Verantwortlichen für die Massenmorde rechtskräftig verurteilt wurde. Killing Fields wie dieses gab es an mehr als 300 Stellen in ganz Kambodscha. Dem Massenmord an der eigenen Bevölkerung fielen in den Jahren 1975 bis 1979 schätzungsweise 100.000 Menschen zum Opfer. Insgesamt gab es ca. 2 Millionen Opfer des Genozids in Kambodscha, bei einer Bevölkerungszahl von knapp als 8 Millionen zu Beginn der 70er Jahre.
Der Gefängnisdirektor des S-21 in Phnom Penh, Kaing Guek Eav, genannt „Duch“, hatte sich 17 Jahre zuerst im Dschungel bei den Roten Khmer und später unter falschem Namen als Lehrer verstecken können. Ab 1997 arbeitete er sogar unter seinem falschen Namen für die NGOs American Refugee Committee und World Vision International. Er wurde 1999 erkannt und verhaftet. Da es aber in Kambodscha keine Todesstrafe gibt, wurde er zu einer lebenslänglichen Haft verurteilt.
Vier weitere „prominente“ Massenmörder warten auf ihre Gerichtsverhandlung. Alle anderen Verbrecher wurden bislang amnestiert.
Massengräber auf den Killing Fields in Choeung Ek
Pol Pot erreicht kein Strafgericht mehr. Er starb 1998 im Dschungel in Norden von Kambodscha. Dorthin hatten sich Reste der Roten Khmer zurückgezogen und terrorisierten diese Gegend noch jahrzehntelang, auch mit Unterstützung Thailands und der westlichen Welt. Auch dort errichteten sie ein Killing Field, auf dem zwischen 1993 und 1997 – lange nach der eigentlichen Herrschaft der Rother Khmer – etwa 3000 Menschen ermordet wurden.