Die Region am Geiseltalsee im südlichen Sachsen-Anhalt lockt Touristen an
Blick vom Weinberg auf den Geiseltalsee
Seit mehr als einem Jahrtausend wird an den sonnigen Kalksteinterrassen an Saale und Unstrut Wein angebaut. Zisterziensermönche brachten im 12. Jahrhundert den Weinbau zu einer ersten Blüte, in späteren Jahrhunderten bewahrten und bewirtschafteten Pächter die alten Rebterrassen und Steillagen. In der Region im Umkreis der Städte Merseburg, Naumburg und Freyburg lag im Geiseltal noch ein anderer Schatz nahe unter der Oberfläche vergraben. Seit 1698 wird hier die Kohleförderung urkundlich erwähnt, von der rohstoffarmen DDR in riesigen Tagebauen betrieben und im Juni 1993 eingestellt. Der Kohleabbau hatte ein Loch mit der unvorstellbaren Größe von 2.600 ha Fläche hinterlassen. Seine Flutung begann zehn Jahre später und wird voraussichtlich erst Ende dieses Jahres beendet sein. Dann ist hier der größte künstlich angelegte See ganz Deutschlands entstanden.
Lars Reifert präsentiert seine Rebstöcke
Weinwanderung am gefluteten Tagebau
Lars Reifert hat alle diese und viele weitere Zahlen und Fakten über den Geiseltalsee im Kopf. Er ist im nahen Weinstädtchen Freyburg aufgewachsen, aber die vielen Details braucht er, wenn er am See drei Mal im Jahr mit Besuchern seine Weinwanderung unternimmt. Denn der 32jährige Lars und sein Bruder Jan, ihre Eltern, zwei Tanten sowie auch der Freundeskreis der Familie haben eine wichtige Rolle am Ufer des Geiseltalsees übernommen – sie haben auf den Abraumhalden des ehemaligen Tagebaus einen Weinberg angelegt. Gegenwärtig stehen hier 12.000 Reben, vor allem Müller-Thurgau, Cabernet Mitos und Spätburgunder, sowie 200 Aprikosenbäumchen. Eine Erweiterung des Anbaus scheiterte bisher an den von der EU vorgegebenen Anbauquoten. So stehen auf den angrenzenden Wiesen noch 15 Rinder und 14 Buren-Ziegen, die den Baumwuchs an den Hängen des jetzt begrünten, ehemaligen Tagebaus – Akazien, Robinien und Birken – kurzhalten.
Der Weinberg am Geiseltalsee
Mehr Sonnenstunden am Hang vom Geiseltal
Wer in der Familie erstmals die Idee hatte, an den steilen Abraumhängen Wein anzubauen, weiß heute niemand mehr. Auf jeden Fall hat sich der Vater der beiden Söhne, ein erfahrener Hobby-Winzer aus Freyburg, einem vierjährigen Behördenmarathon unterzogen, um 60 ha Halde kaufen zu können. Er inspizierte immer wieder die Hanglage und stellte fest, dass auf diesen Flächen die Sonne täglich bis zu zwei Stunden länger schien als in den Weinanbaugebieten um Bad Kösen und Naumburg. Seine Analysen wurden dadurch bestätigt, dass in der Nachbarschaft, dem kleinen Örtchen Krumpa, auf einer Fläche von 70 ha eine der größten Photovoltaik-Anlagen Deutschlands von BP in Betrieb genommen wurde.
Doch vor dem Kauf der Abraumhänge galt es, noch andere Probleme zu lösen. So runzelten die Behörden die Stirn, als sie erfuhren, dass im Naturschutzgebiet ein Weinberg angelegt werden sollte. Lars Reifert vermutet, dass nach längerem Tauziehen nur zugestimmt wurde, weil niemand wirklich glaubte, dass der Weinberg an den Hängen Wirklichkeit werden könnte. Ein Hauptproblem stellt die Bodenerosion dar. Die Erde auf den 250 Meter langen Rebenreihen wurde weggeschwemmt und musste mit Radladern wieder aufgeschichtet werden. Hitzeperioden mit Temperaturen bis 50 Grad Celsius führten zu großer Trockenheit. Abhilfe schuf ein Tropfsystem, das in der Negev-Wüste eingesetzt ist und auch hier am Hang seinen guten Diensten leistete. Entscheidend war letztlich für Lars Reifert, der in der Familie für das ganze Projekt den Hut aufhat, dass „Qualitätswein am Geiseltalsee wächst und ihr Wein auch die Qualitätstests bestanden hat.“ Und er zieht das Resümee. „Es gibt keinen besseren Wein in der Region.“
Blick über den Geiseltalsee
Vom Bergbau zum Tourismus
Der Weinbau am Geiseltalsee wirbt mit der Zeile: „Vom Bergbau zum Weinbau“ und führt die Symbole Eisen und Schlägel als Marke ein, die auch patentrechtlich geschützt ist. Doch der Weinbau an dieser Stelle ist mehr als ein exotischer Ort für Weintrinker. Der Besucher des Weinbergs schaut über den See auf den kleinen Ort Mücheln.
Der Hafen am Geiseltalsee bei Mücheln
„Noch vor zehn Jahren wollte dort niemand begraben sein“, erinnert sich Lars Reifert. „Die Situation hat sich verändert.“ Im Jahr 2008 wurde dort die Marina Mücheln eröffnet mit einem Hafenturm nebst Hafenkontor und Piergebäude. Geplant sind Ferien- und Bootshäuser, ein Campingplatz, Strandbereiche und eine Schiffsbrücke. Ein Fahrgastschiff mit 140 Plätzen ist an der Ostsee-Küste schon ausgesucht und soll in der Sommersaison rund um den See unterwegs sein. Das sind jetzt schon Fahrradfahrer auf zirka 30 Kilometer langen asphaltierten Fahrradwegen. Die Region kann nun schon damit beginnen, mit der Zeile zu werben: „Der Weg vom Bergbau zum Tourismus“. Doch es lohne auch ein Besuch, wenn noch nicht alles Geplante bereits fertig sei, so meint Lars Reifert.
Der Randwanderweg rund um den Geiseltalsee Ausflug zu den Weinbergen an der Unstrut nach Freyburg
Seine nächsten Weinwanderungen sind am 17. Oktober und 1. Februar im neuen Jahr. Natürlich kann man bei der Gelegenheit den Wein vom Geiseltalsee probieren. Und vielleicht übernimmt dann der eine oder andere Besucher auch eine Patenschaft über einen Weinstock, um dann im darauffolgenden Frühjahr seinen eigenen Wein vom Geiseltalsee trinken zu können.
コメント