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  • Ronald Keusch

Lest wieder Fontane

“Leicht zu leben ohne Leichtsínn, heiter zu sein ohne Ausgelassenheit, Mut zu haben ohne Übermut - das ist die Kunst des Lebens.“


Eigentlich hat der Journalist, Dichter und Schriftsteller Theodor Fontane gemeint, dass von seinem großen Gesamtwerk, und da sind allein 17 große Romane zusammen gekommen, nur seine Gedichte die Jahrhundertwende überdauern werden. Doch da irrte sich der große lebenserfahrene Romancier sehr gründlich. Die Zeitromane aus seinem berlinisch preußischen Lebensalltag machten erst nach seinem Tod richtig Furore und hoben ihn in den Himmel der bedeutendsten deutschen Literaten inklusive der Ehrungen zum Geburts- und Todestag. Nun steht im Dezember 2019 wieder ein Jubiläum vor der Tür und da wird nun ganz offiziell der vor 200 Jahren in Neuruppin geborene Fontane verdientermaßen gefeiert. Und wie üblich bei den meist damit einhergehenden Kampagnen scheinen die Lobeshymnen überbordend. Am 30 März fällt in Neuruppin der Startschuss. Ganz an der Spitze natürlich das Bundesland Brandenburg mit einem speziell aufgestellten Programm. Es wimmelt nur so von Fontane-Menüs und Fontane-Wanderungen, Kunst-Installationen, interdisziplinären Forschungsprojekten und es findet sogar in der Fontane-Stadt ein Festumzug statt. Daran hätte sicher auch der alte Preuße Dubslav von Stechlin aus dem Fontane-Roman „Der Stechlin“, eigentlich der alte Ego des Schriftstellers, seinen großen Spaß. Und erst recht die literarische Figur von Günter Grass in seinem Roman „Ein weites Feld“ mit Namen Fonty, die als Wiedergänger Fontanes gestaltet wurde.

Doch bei all den Feierlichkeiten sollte bei der Ehrung Fontanes unbedingt ganz weit oben sein literarischer Realismus stehen, seine Betrachtung der Wirklichkeit. Er verfasste ein Kompendium der preußisch wilhelminischen Ära. Aber er leistete noch viel mehr. In seinen Romanen und Erzählungen und dann als wandernder Journalist durch die Mark Brandenburg schrieb Fontane über das, was ist und ließ sich nicht etwa davon leiten, wie es nach seiner Anschauung der Welt sein könnte, sollte und müsste. Parallelen zu heute gibt es jede Menge wie den Spiegel-Autor Claas Relotius und die vielen anderen Populisten in den Massenmedien, die die Welt fast Gottgleich nach ihrem vorgegebenen Bildmalen wollen und es dann auch tun. Dagegen Fontanes Ideal: größtmögliche Objektivität und realistisches Erzählen und Berichten. Das steht seinem vielerorts verehrten plaudernden Ton keinesfalls im Wege und Humorvolles mit einer Prise Ironie schafft Distanz zum Erzählten. Zudem zeichnen die meisten realistischen Erzählungen eine starke Beziehung zur Heimat aus, die in der Gegenwart aus vielerlei Gründen droht, verloren zu gehen. Ein weiterer Grund gerade für jüngere Leute, sich mit Fontane zu beschäftigen. Fontanes Werk wird zum Sinnbild des Wandels der Gesellschaft im 19. Jahrhundert, den er wie kaum ein anderer Schriftsteller und Journalist porträtiert. 200 Jahre später kann uns Fontane mit einer Vielzahl von Texten Mut machen, den Wandel unserer heutigen Gesellschaft zu erkennen und offen zu benennen. Deshalb: Lest wieder Fontane, der uns Nachkommen auf den Weg gab:

“Leicht zu leben ohne Leichtsínn, heiter zu sein ohne Ausgelassenheit, Mut zu haben ohne Übermut - das ist die Kunst des Lebens.“

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