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Ronald Keusch

Die Verschwörer und wir

Wie der Kampfbegriff "Verschwörungstheorie" von Politikern und Staatsmedien missbraucht wird


Eigentlich wollte ich zu dem in den letzten Wochen geradezu inflationär gebrauchten Wort Verschwörungstheorie keinen Einwurf machen. Wer will von dem ständig gebrauchten und in fast jede Nachrichtensendung geschleppten Begriff noch etwas hören. Doch dann hat mich der Artikel am 17. Mai in der Berliner Zeitung umgestimmt. Er stammt von der Edelfeder im Journalismus Jochen-Martin Gutsch (von dem ich meist gern lese) und trägt die Überschrift „Xavier Naidoo, Ken Jebsen, Attila Hildmann: Das Ratpack der Apokalypse."


Zunächst einmal stolperte ich in der Überschrift über das englische Wort Ratpack (wortwörtliche Übersetzung Rattenmeute). Doch mit Ratpack wird in den USA eine Gruppe von sehr hoch angesehenen, sehr populären Schauspielern und Sängern früherer Jahrzehnte bezeichnet, darunter Frank Sinatra, Sammy Davis Jr. und Shirley MacLaine. Zu dieser Gruppe zu gehören, ist der höchste Ritterschlag der Unterhaltungs-, Film- und Medienindustrie der USA. Doch warum sollten ein mehr oder weniger bekannter Sänger, ein Journalist mit eigenen Website und ein veganer Koch so in den Himmel gehoben werden? Der Autor wollte Ratpack sicher etwas weniger schillernd und mehr wortwörtlich nehmen, denn er bearbeitet das Thema Verschwörungstheoretiker. Denen sollte man mit ein "bisschen Gelassenheit" und zuweilen "gesunder Ignoranz" entgegentreten, so Gutsch, ansonsten würde man "die Spinner aufwerten“.


In der Vergangenheit konnten die Verschwörungstheoretiker kaum mit Gelassenheit und Ignoranz rechnen. Allerdings wurden sie sehr ernst genommen. Wer das kopernikanische Weltbild propagierte und behauptete, dass sich die Erde um die Sonne bewege, der widersprach den Positionen der herrschenden katholischen Kirche. Die Inquisition drohte mit dem Scheiterhaufen. Der Gelehrte Galileo Galilei lässt aus dem Mittelalter grüßen.


Auch im 20 Jahrhundert wurde eine neue Art von Inquisition ins Leben gerufen. Markantes Beispiel ist die Ermordung des US-amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy im Jahr 1963. Als Antwort auf die berechtigten Zweifel an dem offiziellen Dogma der Einzeltäterschaft Lee Harvey Oswalds wurde von der US-Regierung und Geheimdiensten der Kampfbegriff "Verschwörungstheorie" ausgesucht, um Kritiker als Staatsfeinde zu brandmarken. (siehe dazu Mathias Bröckers u.v.a. Autoren). Der Scheiterhaufen hatte ausgedient, mit dieser Diskurskeule wurden Diskussionen abgeblockt, die Ketzer diskreditiert und diffamiert.


Aber nicht nur Kirchenfürsten und Regierungen, sondern auch weltanschaulich hochgerüstete Aktivisten und ihre verbündeten Medien gefallen sich in Verschwörungstheorien. Das Waldsterben war Anfang der 80er Jahre das alles beherrschende Thema in (West-) Deutschland. Vorherrschende Meinung der Medien war: „Der deutsche Wald stirbt“ (Süddeutsche Zeitung), „Wir stehen vor einem ökologischen Hiroshima“ (Spiegel), „An der Diagnose gibt es nichts mehr zu deuteln. Fünfzig Prozent der bundesdeutschen Wälder sind geschädigt“ (Zeit). Gestützt wurde das durch Wissenschaftler wie den prominenten Naturschutzaktivisten Hubert Weinzierl: „Das Sterben der Wälder wird unsere Länder stärker verändern als der Zweite Weltkrieg.“ Botaniker und Forstwissenschaftler, die diese Diagnose nicht teilten, wurden ignoriert oder als Schönredner diffamiert. Und der Wald lebt immer noch und bedarf allerdings Fürsorge und Schutz.


Selbstverständlich gibt es in der Menschheitsgeschichte jede Menge an Hirngespinsten und Lügenmärchen. Von Quacksalbern und Scharlatanen, die Gold herstellen wollten bis zu den Fans von Ufos, die mit Aliens telefonieren. So weit so unstrittig. Auch im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie sind Theorien und Prophezeiungen von Scharlatanen in der Öffentlichkeit. Allerdings ist es selbst in einem launigen Text zum Ratpack einfach fehl am Platze, die Rolle von Bill Gates und seiner Stiftung in einem skurrilen Schlussgag zu verwursten. Das schadet und verhindert eine notwendige Diskussion in der Gesellschaft über den Einfluss privater Geldgeber auf die WHO und die Erforschung und Vermarktung neuer Impfstoffe. Sind die Sorgen und Ängste der demonstrierenden Menschen über die Rolle und Funktion der Melinda und Bill Gates-Stiftung völlig abwegig? Philanthropische Zuwendungen wie die der Gates-Stiftung sind zweckgebunden – das trifft auf 80 Prozent des WHO-Budgets zu. Damit wird die globale Gesundheitsagenda nicht mehr von der Generalversammlung der WHO bestimmt, sondern von Gebern. Sie bestimmen konkrete Projekte und Schwerpunkte der Organisation. Anliegen, die nicht ihren Prioritäten und Zielen entsprechen, werden schlicht nicht finanziert. Besonders problematisch ist, dass private Geber einseitig die Forschungsagenda bestimmen. Im Vordergrund steht die Entwicklung neuer und besserer Impfstoffe gegen übertragbare Krankheiten wie Malaria, AIDS oder jetzt Corona. Unterrepräsentiert bleibt dagegen die Forschung zu nicht übertragbaren chronischen Krankheiten oder zu präventiven Maßnahmen gegen Lungenentzündungen, Durchfall und Unterernährung von Müttern und ihren Kindern – und das sind immerhin die Ursachen von 75 Prozent aller Kindstode. Überdies begünstigt die Forschungs- und Zuwendungspraxis der Gates-Stiftung Pharma-Konzerne wie GlaxoSmithKline, Novartis, Roche, Sanofi, Gilead und Pfizer, bei denen die Stiftung und ihre Namensgeber ihr Geld angelegt haben. Diese haben schon bei der Schweinegrippe 2009 hervorragend abgesahnt und das Vermögen ihrer Aktienbesitzer vermehrt. Bitte nicht vergessen: das erste Ziel der Gates Stiftung besteht darin, ihr eigenes Vermögen zu vermehren, um dann mit großer medienwirksamer Geste zehn Prozent davon zu „geben“ – im Statut der Stiftung steht übrigens ehrlicher, zu „investieren“.


Wen es interessiert, dem seien hier eine Analyse der Böll-Stiftung (https://www.boell.de/de/2017/11/20/milliardaere-bestimmen-globale-agenda) oder der Beitrag von Oskar Lafontaine (https://www.nachdenkseiten.de/?p=60993) empfohlen.

Das Vermögen der 2000 Milliardäre der Welt wird auf acht Billionen USD geschätzt (Forbes-Analyse März 2020, übrigens 700 Milliarden weniger als vor Corona). Eine Vermögensabgabe von nur ein Prozent würde 80 Milliarden in die Kassen spülen. Damit könnte die WHO 20 mal finanziert werden, ohne Auflagen. Übrigens ist das Gates Vermögen vor dem Fiskus sicher: Die Gates Foundation und der Gates Trust sind von Steuern befreit.


Angesichts dessen ist die mehr oder weniger unverblümte Parteinahme für Bill Gates, nahezu unisono in Parteien und Medien, bemerkenswert. Ein Schelm, wer arges dabei denkt. Oder ist das auch schon eine Verschwörungstheorie ?


Zum Ausklang a la Gutsch-Artikel auch eine nette Verschwörungstheorie, weil es doch so einen Spaß macht. Also: Angesichts der schlechten Umfrageergebnisse der deutschen Regierung samt CDU schickte Kanzlerin Merkel an die Führung in China im Herbst 2019 die Bitte, einen Virus zur Imagerettung freizulassen. Jetzt sind die Umfrageergebnisse von Merkel und CDU wieder top.

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