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Ronald Keusch

Spannende Ferien-Region - ganz in der Nähe

Über den neuen Reiseführer „Spreewald“ individuell reisen aus dem Michael Müller Verlag



Was einen guten Reiseführer auszeichnet, das steht schon im Begriff. Er soll den Ortsfremden an die Hand nehmen und durch die ihm entweder gänzlich fremde oder nur wenig bekannte Region führen.


Die meisten Menschen im Westen Deutschlands kennen die Spreewald Region nur vom Namen. Den Bewohnern des Ostens wird der Spreewald da schon vertrauter sein, zumindest die Berliner und Brandenburger waren in der Regel schon mal zum Kahnfahren in Lübbenau oder zum Kaffeetrinken in Burg. Schließlich führt sie die Spree, Eisenbahn und Autobahn in rund 60 Kilometern schon dorthin. Aber der Spreewald ist schon etwas mehr, viel mehr, eine durchweg attraktive Region zum Reisen und Urlaub machen.


Einen überzeugenden Beleg für diese vielleicht triviale Wahrheit liefert der in diesem Jahr neu erschienene Reiseführer „Spreewald“ aus der Reihe „individuell reisen“. Er ist im Michael Müller Verlag erschienen, der sich gern als mittelständischer Marktführer für Individualreisen einordnet. Eine kluge und nachvollziehbare Entscheidung für ein solches Buch, da der Inland-Tourismus dank der kommenden Corona-Virus-Zeiten (Karl Lauterbach prophezeit 30-40 Jahre) eine anhaltende Konjunktur erleben wird. Eine glückliche Hand hatte der Verlag auch mit der Wahl der Autorin Peggy Leiverkus.


Streuobstwiesen im Spreewald
Streuobstwiesen im Spreewald

Die Autorin hat den Spreewald als bekennende Radfahrerin und Wanderin erkundet und dabei sehr viele Details für den Individualreisenden zusammengetragen. Ein großer Vorzug dieses Buches, ob es sich um Bootsausleih, Camping und Wohnmobil-Stellplätze, Quartiere, Gaststätten oder Einkaufen handelt. Eine wunderbare Motivation für den Interessenten, sich seine eigene Spreewaldtour zusammenzustellen oder auch nur eine Stippvisite zu planen. Ungewöhnlich für diese Form der Reiseliteratur ist allerdings schon, dass die Autorin, die sich als „gebürtige Speckgürtel-Berlinerin“ vorstellt, sich auch auf der kompletten ersten Seite des Reiseführers selbst präsentiert. So erfährt der Leser, dass Peggy Leiverkus mit ihrem kleinen Dackel unterwegs ist, der sich auch bei Paddeltouren im Spreewald erprobt hat. Sogar ein Foto der Autorin im Paddelboot ist zu sehen – allerdings ohne Dackel. Der hat dann auf den Seiten 83, 127, 150 und 157 per Foto seinen Auftritt.


Die große Stärke dieses Reiseführers besteht in seiner wunderbar übersichtlichen Struktur. Dem Leser wird der Spreewald in drei Hauptkapiteln dargestellt: Unterspreewald, Oberspreewald und ein Ausflug nach Cottbus. Hier werden dann unterschiedlich gewichtet, Orte, Landschaften, Sehenswürdigkeiten und die praktischen Fakten und Hinweise aufgelistet. Die Kapitel werden dann im großen Schlussteil des Buches insgesamt durch elf GPS-Touren unter der Überschrift „Aktiv im Spreewald“ ergänzt. (S. 138 ff.) Da werden dann fünf Rundwanderungen, drei Fahrrad- und drei Kanutouren zum Paddeln vorgestellt. Und schließlich erhält sogar das Schlittschuhlaufen einen kleinen Abschnitt, wenn „die Temperaturen im Winter für mindestens eine Woche unter -10 Grad liegen und die Fließlandschaft so richtig durchgefroren ist.“ (S. 172)


Die Recherche der Autorin vor Ort liefert für viele Leser eine ganze Reihe von interessanten und unterhaltenden Fakten und kleine Geschichten. Gerade aus der wenig bekannten Region Unterspreewald. Da wird über ein Landhaus im Lübben in der Zeit des Siebenjährigen Krieges berichtet. Einen skurrilen Vorfall dazu soll Lessing in seinem Luststiel „Minna von Barnhelm“ verarbeitet haben, in dem klassischen Theater-Stück um Fräulein Minna und Major Tellheim, geschrieben um die Zeit am Ende des Siebenjährigen Krieges 1763.

Die Schinkel-Kirche in Straupitz
Die Schinkel-Kirche in Straupitz

Eine andere spannende Geschichte aus der preußischen Provinz dreht sich um den Grafen von Houwald und seine Nachkommen, in dem das Schloss Neuhaus und das Schlossensemble in Straupitz eine Rolle spielen. Und der kleine beschauliche Ort Straupitz in der Oberlausitz hat wiederum nicht nur ein Schloss mit einem Turmgebäude zu bieten und eine Kirche, die in ihrer auffälligen Architektur auf den preußischen Baumeister Karl-Friedrich Schinkel zurückgeht.

Hier steht auch eine im Jahr 1850 gebaute Holländerwindmühle. Im Erdgeschoss wird Leinöl kalt gepresst, das als das beste Leinöl im ganzen Spreewald gilt. Wer die Mühle besucht, die zugleich ein kleines Museum abgibt und ein Mühlencafe beherbergt, kann in der Regel Einheimische mit kleinen Gefäßen in der Hand beobachten. Sie lassen sich kleine Mengen des frisch gepressten Leinöls abfüllen. Denn eine Spezialität der Region, Kartoffeln mit Quark und Leinöl, erhält ihren einzigartigen Geschmack nur mit dieser Qualität von Leinöl. Der Tourist kann das „gelbe Gold“ in kleinen Fläschlein erwerben.


Die Auflistung von Unbekanntem wird fortgesetzt: mit kleinen verschlafenen Dörfern wie Leibsch und Neu Lübbenau oder einem Mini-Gebirge mit einer Hochfläche von 144 Metern, den Krausnicker Bergen. Hier gibt es einen Aussichtsturm, von dem man die Tropical Island-Hallen und sogar den Berliner Fernsehturm sehen kann. Auch der naturbelassene Godnasee bei Alt-Schadow hat etwas Besonderes zu bieten. Hier verteilen sich auf kleinen Badestellen die FKK-Freunde. Da gehört es zum guten Ton, im Sommer auf dem schmalen Wanderweg, um den See nur Turnschuhe zu tragen, sonst nichts.


Das Freilandmuseum in Lehde
Das Freilandmuseum in Lehde

Natürlich geht der Reiseführer auf die bekannten Anziehungspunkte in der Oberlausitz ein, wie da sind Lübbenau mit seinem Hafen für die Spreekahn-Flotte. Dazu gehört auch die ausführliche Darstellung des Vorzeigedorfes Lehde mit Freilandmuseum, das komplett unter Denkmalschutz steht. Und schließlich nicht zuletzt das große Touristenzentrum Burg mit seiner Ortsgeschichte und seinen Sehenswürdigkeiten.


Positiv hervorzuheben ist auch, dass der Reiseführer ein eigenes Kapitel über Ausflüge aus dem Spreewald in die nahe gelegene Stadt Cottbus eingerichtet hat (S. 88-107). Da ein großer Teil des (west) deutschen Medialen Mainstream die Stadt Cottbus über viele Jahre ein Image aus Braunkohle, Plattenbau und Rechtsradikalen verpasste, hat es hier der Leser verdient, etwas von der Besucher-Wirklichkeit zu erfahren. Zu der geschichtsträchtigen Stadt mit einer Technischen Universität und vielen Studenten gehören eine Altstadt mit der Synagoge im Gewand einer evangelischen Kirche, der Schlossberg, der Tierpark, das Wendische Museum, der Branitzer Park samt Schloss, das Pückler-Museum und noch viel mehr.

Schließlich gehört zu einer effektiven Struktur auch ein Kapitel unter der Überschrift „Nachlesen & Nachschlagen“. Hier ist noch einmal Interessantes und Erwähnenswertes gut gegliedert untergebracht, von der Kultur der Sorben über die Spreewaldküche bis zu Veranstaltungen.


Für einen bestimmten Teil der Leserschaft wäre die Autorin gut beraten gewesen, wenn sie nicht den Ehrgeiz entwickelt hätte, bestimmte historische Persönlichkeiten und Ereignisse in arg verknappter Form und gewollt modern darzustellen. So ist beispielsweise die Rückschau auf den leidvollen Werdegang von den Werkhallen des Cargolifter zum Tropical Island ein wenig zu glattgebügelt oder die Geschichte einschließlich der Ehe von Graf Hermann Pückler-Muskau mit der Überschrift im Buch „Hermann und Lucie – ein ungewöhnliches Dreamteam“ für manchen etwas neuzeitlich überstrapaziert. Da hätte sicherlich das Lektorat der Autorin etwas mehr zur Seite stehen können.


Das betrifft auch die Fotoauswahl. Ungewöhnlich wiederum im Vergleich zu anderen Reisebüchern, dass die Autorin bis auf wenige Ausnahmen, auch alle Fotos selbst geschossen und dabei durchgängig eine hohe Qualität abgeliefert hat. Etwas ärgerlich ist das letzte Foto im Buch: Vier Tassen hängen an Baumzweigen, zwei davon unscharf getroffen mit der Unterzeile „Kunst am Kornspeicher in Straupitz“. Lektorat, da haben sowohl Straupitz als auch die Kunst im Spreewald anderes zu bieten ! Und vor allem hat der Spreewald wesentlich mehr an Kunst zu bieten. Von den Ostereiern (z.B. Werkstatt für Sorbische Eier von Bärbel Lange in Lübbenau), über den traditionellen Blaudruck, Weberei und Leinenweberei bis zu Glasbläsern. Ein Abschnitt über Kunst und Kunsthandwerk der Sorben/ Wenden im Kapitel „Nachlesen & Nachschlagen“ wäre wünschenswert, vielleicht auch mit einigen Ausflugstipps in die benachbarte Lausitz.


Wahrlich nicht jeder Reiseführer hat insgesamt ein so angenehmes Resümee verdient wie dieser „Spreewald“. Es hat Spaß gemacht, die übersichtlich gestalteten sehr informativen Seiten zu lesen. In einem mit Reisebüchern gut sortierten Haushalt sollte dieses Büchlein nicht fehlen.


Fließe und Weidehaltung im Spreewald Erlebnisbad "Spreewelten" in Lübbenau


(Fotos: Ronald Keusch)

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