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Ronald Keusch

Unterwegs mit Kutter "Bolle"

Segeln auf dem Ruppiner See




Der Kutter "Bolle" im Yachthafen des Ruppiner Segler Clubs
Der Kutter "Bolle" im Yachthafen des Ruppiner Segler Clubs


Das Ruppiner Seenland gehört nach dem Spreewald und dem Seenland Oder-Spree zu den Kronjuwelen der Reiseregionen im Land Brandenburg. Von Januar bis Juni wurden 626.590 Übernachtungen gezählt, davon entfielen allein auf die Stadt Neuruppin einhundert Tausend, ein Mekka für Touristen aus nah und fern. Theodor Fontane hat seine Geburtsstadtstadt Neuruppin in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg immer liebevoll beschrieben, auch wenn er schon mal etwas respektlos die „Ödnis der Provinzialstadt“ beklagte. „Ruppin hat eine schöne Lage – See, Gärten und der sogenannte ‚Wall‘ schließen es ein.“ Nach dem ein großen Brand im Jahr 1787 fast die ganze Stadt vernichtete, wurde sie „in einer Art Residenzstil wieder aufgebaut“, notierte Fontane. Ein Muss für die Besucher ist ein Bummel auf der See-Promenade von Neuruppin. Auf einer kleinen Anhöhe thront die Klosterkirche, eines der bekanntesten Wahrzeichen der Stadt und am Seeufer liegen seit jeher die Anlegestellen für die Dampfer. Hier eröffnet sich für die Besucher der Blick auf den Ruppiner See zumeist auch mit einigen Segelbooten, die mit ihren weißen Segeln zum Ufer winken.



Der Ruppiner See mit Blick auf Neuruppin die markanten Türme der Klosterkirche © RSC
Der Ruppiner See mit Blick auf Neuruppin die markanten Türme der Klosterkirche


Ruppiner Segler Club 1890 gegründet

Nur wenige hundert Meter von der Promenade entfernt, reihen sich am Seeufer auf der Regattastraße die Bootshäuser von Neuruppiner Wassersport-Verbänden der Kanuten, Ruderer und Segler. Hier liegt auch mit seinem Bootshaus und dem kleinen Seglerhafen mit 63 vermieteten Bootsplätzen der traditionelle Ruppiner Segler Club Eintracht e.V. (RSC). Er wurde 1890 gegründet und zählt zu den ältesten Segelvereinen in Deutschland. Mein alter Schulfreund Karl-Ulrich Wahnschap, pensionierter Stadtarchitekt von Neuruppin und seit Jahrzehnten passionierter Segler, hat mich auf seinem Segelkutter ZK 10 K 21 zu einem sonntäglichen Mini-Segeltörn eingeladen.


Der Ruppiner Seglerclub Startklar: Steuermann Karl-Ulrich Wahnschap in seinem Kutter

Die ZK 10-Kutter wurden von der ehemaligen Gesellschaft für Sport und Technik GST in der DDR entwickelt. Sie wurden von der GST und der Volksmarine als Ausbildungsboote eingesetzt und in der Yachtwerft Berlin und der Rechliner Schiffswerft gebaut. Anfangs aus Holz wurden sie später aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) gefertigt und durchnummeriert. Daher stammt auch die Nummer K 21 des Bootes. Nach der Wende übernahm die Treuhand auch diese Kutter, um sie Sportverbänden kostenlos zur Verfügung zu stellen. Aber wie das oft so ist, mein Segler-Schulkamerad Uli und sein Segel-Kumpel Holger, mussten das Boot letztlich im Jahr 1996 von privater Hand kaufen und sind jetzt die Eigner. Für den Namen des Bootes sorgte die Tochter von Uli, Verena, mit ihrer außergewöhnlichen Vorliebe für große Zwiebeln. So heißt der Kutter entsprechend ihres Faibles im besten berlinerisch einfach „Bolle“.


Kutter-Crew (2.v.r. Kay Späth; 2.v.l. Karl-Ulrich Wahnschap)
Kutter-Crew (2.v.r. Kay Späth; 2.v.l. Karl-Ulrich Wahnschap)


Mit dem Heck durch den Wind

Noch ein Foto vom heutigen Kutter-Team auf dem Steg, in der Regel eine Besatzung von sechs bis acht Seglern, heute mit mir, einem Reisejournalisten aus Berlin. Die Ruder gleiten ins Wasser. Dann das Kommando von Steuermann Uli. „Klar zur Halse!" Das bedeutet im Seglerdeutsch, unser Boot geht mit dem Heck durch den Wind, dass heißt es wird ein Kurs gesteuert, bei dem der Wind nahezu von hinten kommt. Allerdings ist heute nur ein schwacher Wind zu spüren, ein „Mutti-Wind“ wie Segler die Windstärke spöttisch beschreiben. Mit Ausnahme der Neuruppiner Regatten ist allerdings der Kutter mit seiner Besatzung überwiegend auf anderen Gewässern unterwegs. „Unseren Ruppiner See kennen wir sehr gut. Da kann ich die Windrichtung an jedem Baum ansagen“, sagt Kay Späth, langjährige Segler und Erster Vorsitzender des Clubs. So segeln sie regelmäßig vor Stralsund, rund um die Insel Hiddensee und vor Peenemünde, starten bei der Rostocker Hanse Sail, der Kieler Woche und sind auch auf der Mecklenburger Seenplatte bei Teterow unterwegs. Wenn es auf Tour geht, wird der Kutter auf einen kleinen Hänger geladen und dahinter reihen sich drei bis vier Wohnwagen vom Kutter-Team ein. Da haben die Segler ihr Gemeinschaftserlebnis nicht nur auf dem Wasser, sondern auch abends am Grill. Dann wird beim Bier auch die Regatta ausgewertet.



Boots-Parade
Boots-Parade

Einfach Spaß am Segeln haben

Über Platzierungen in den Rennen wird eher weniger diskutiert. „Wenn wir mit unserem Kutter ‚Bolle‘ auf Sieg fahren wollten, müssten wir mehrere zehntausend Euro investieren“, so Steuermann Uli. Durch moderne Bauelemente haben sich viele Boote bei den Regatten aufgerüstet, so dass sie schon eine bessere Grundgeschwindigkeit besitzen als ihr Kutter. Eigentlich kein fairer Wettbewerb, aber die Schiffsklassen-Vorschrift ist für die Kutter sehr allgemein gehalten, alles, was nicht verboten ist, das ist erlaubt. Und da wird von den Wettbewerbern an den Kuttern viel herumgeschraubt. Doch die Neuruppiner wollen den Kutter so original wie möglich erhalten. Außerdem gehören zum Team auch Steuerleute, die selbst eigene Boote besitzen. Sie haben einfach alle Spaß am Segeln und bereisen gern andere Segel-Reviere - so ihr Credo.



Das Glück der Neuruppiner Segler

Die Neuruppiner Segler sprechen offenherzig davon, dass sie mit der Lage am Ruppiner See sehr viel Glück haben. Die Schiffsrouten für große Segler enden schon an den Lindower Seen, da befindet sich der „Endsee“. Es habe sogar früher Projekte gegeben, die vorsahen, den Alten Rhin bei Zippelsförde und Rheinsberg für größere Schiffe auszubaggern. Dazu ist es aus der Sicht der Neuruppiner Segler glücklicherweise nicht gekommen. Denn dann würden viele Berliner Segler über den Ruppiner See in Richtung Müritz nach Mecklenburg fahren. Die Neuruppiner kennen die Situation am Tegeler See in Berlin, der zur Hochsaison von so vielen Booten heimgesucht wird, dass man dann, so ihr scharfzüngiges Urteil „fast von Boot zu Boot trockenen Fußes den See überqueren kann“.


An Bord der "Bolle"
An Bord der "Bolle"

Regeln für Hausboote notwendig

Doch die Segler spüren auch auf ihrem Heimatsee und seinem Umfeld, dass der Verkehr auf dem Wasser zunimmt. Wachsendes Ärgernis sind vor allem manche Fahrer von langsamen Hausbooten, die etwas schnelleren Stand Up-Paddler sowie die schnellen Motorboote, die sich zu oft nicht an die Vorfahrtsregeln auf dem Wasser halten. Außerdem fordern viele traditionelle Wassersportler die Beamten der Stadtverwaltung Neuruppin auf, über die gewachsene Zahl der Hausboote auf ihren Seen nachzudenken. Sie sind völlig einverstanden, wenn von Seiten der Stadt für mehr Hausboote geworben wird, um Neuruppin attraktiver zu machen und nebenbei die klammen Kassen zu füllen. Aber es darf nicht allein den privaten Vermietern überlassen werden, wo die Menge an Hausbooten anlegt, dafür muss es kommunale Regeln geben.



Mit "Bolle" auf dem Ruppiner See


Ein Paradies für die Paddler

In der näheren Nachbarschaft ihres Segelclubs in der Regattastraße haben sich eine Reihe von kleinen Unternehmen angesiedelt, die für Touristen Wasserfahrzeuge von Ruderbooten und Kanus bis zu Segel- und Motorbooten vermieten. Es gibt auch eine Fahrschule, wo man einen Bootsführerschein ablegen kann. Die Neuruppiner Seenkette ist auch ein Paradies für den Kanusport. Die größte Bootsvermietung und Wasserwanderstation ist „Rhinpaddel“. Sie liegt direkt am Alten Rhin im Zentrum von Alt Ruppin. Von hier gelangt man per Kajak, Canadier oder Tretboot sowohl nach Neuruppin oder man paddelt über den Rhinkanal in die anliegenden Seen, entlang der schilfgesäumten Ufer und durch Seerosen und Sumpfgebiete. Eine Besonderheit ist der Boots-Transfer. Damit kann die Paddeltour in Rheinsberg, Lindow oder im Rhinluch-Gebiet beginnen oder enden. Und bei der Rhin-Tour ist der Treffpunkt ein Parkplatz in Zippelsförde. Von dort erfolgt der Transfer nach Rheinsberg zur Einsetzstelle und dann paddeln die Touristen zu ihrem Fahrzeug zurück. Das ist schon genial organisiert.



Kutter "Bolle" auf dem Ruppiner See
Kutter "Bolle" auf dem Ruppiner See


Im Opti das Segeln lernen

Der Ruppiner Segler Club mit seinen derzeit einhundert Mitgliedern hat sich auch sehr engagiert der Nachwuchsarbeit zugewandt. „Insgesamt haben wir 25 Kinder und Jugendliche, die von zwei Jugendtrainern betreut werden“, berichtet mit Stolz Kay Späth. Wie alle im Club, engagieren sich auch die Jugendtrainer ehrenamtlich und vermitteln die Grundkenntnisse und vor allem den Spaß am Segeln. Dazu werden die klassischen Ausbildungsboote Optimist, kurz Opti, eingesetzt. Mit nur einem Sprietsegel wird die Jolle nur von einem Jugendlichen in der Altersgruppe 7 bis 16 Jahre gesegelt. Die meisten Segler starten ihre Karriere in diesem Boot. Denn der Opti ist unsinkbar, kann nur schwer kentern und ist verhältnismäßig leicht zu segeln.



Der große Boots-Kran
Der große Boots-Kran

Großer Andrang beim „Kranen“

Die größte Errungenschaft des Segelclubs ist unübersehbar. Direkt am Ufer steht ein großer Boots-Kran, der bis zu fünf Tonnen ausgelegt ist. Er konnte mit Fördermitteln des Landessportbundes und Krediten errichtet werden. Boote mit einem Gewicht ab 400 Kilogramm aufwärts werden normalerweise „gekrant“. In der Historie gab es zu früheren Zeiten eine Schräge, die auf Schienen ins Wasser führte und mit einer Winde die Boote ins Wasser setzte oder aus dem Wasser holte. Für größere Boote musste dann immer mit beträchtlichen Kosten extra ein Kran gemietet werden. Wie auch die ausgebuchten Liegeplätze ist die Krankanlage stark nachgefragt. Das ist wichtig für die finanzielle Balance des Segelclubs. Rechtzeitiges anmelden ist angesagt.



Saisonabschluss mit der Suppenfahrt

Die Segelsaison beginnt in der ersten Maiwoche. Mitte Oktober werden dann die Boote aus dem Wasser geholt. Wenn die Masten abgenommen sind, wird die „Suppenfahrt“ gestartet. Dazu werden von den Seglern etliche Boote mit einem Motor ausgerüstet und los geht die Fahrt meist in Richtung Alt Ruppiner Schleuse, Molchow und Stendenitz bis zur Einfahrt nach Boltenmühle. Zwischen Stendenitz und Zermützel suchen sie dann eine große Wiese. Hier werden Campingkocher, Geschirr und Tische aufgebaut und die Suppe warm gemacht. Dann darf auch jeder die Suppen der anderen probieren – der traditionelle Abschluss der Segel-Saison vom Ruppiner Segler Club.

An diesem Sonntag im späten August sind nur zwei Hausboote, ein Ruderboot und zwei Segler unterwegs. Am Tag zuvor war auf dem See viel los. Da wurde die 49. Langstrecken-Regatta vom RSC auf dem Ruppiner See ausgetragen. Insgesamt waren 27 Segelboote am Start. Das Boot K 21 belegte Platz 19. In der nächsten Saison 2024 wartet ein bemerkenswertes Jubiläum: Dann steht die 50. Langstrecken-Regatta auf dem Plan des Ruppiner Segler Clubs.


Blick auf die Steganlage und die Neuruppiner Klosterkirche
Blick auf die Steganlage und die Neuruppiner Klosterkirche



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