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  • Claudia Keusch

Ein Nachruf auf den Gelben Sack


Ein Paradebeispiel, wie Ideologie jede Wirtschaftlichkeitsrechnung aushebelt – zum Schaden für alle





Vielleicht hat es sich noch nicht bis zum letzten Haushalt rumgesprochen: Der Gelbe Sack wird in Berlin abgeschafft und durch die Gelbe Tonne ersetzt. 250 Tausend neue Tonnen wurden dafür gekauft, für all diejenigen Haushalte, die bisher noch keine Wertstofftonne hatten. Das betrifft schätzungsweise 400.000 Berliner. Wir gehören dazu. Ich trauere schon jetzt dem guten Gelben Sack hinterher. Muss dieser Wechsel wirklich sein ? Im Internet kostet eine solche Tonne um die 70 Euro – das macht also schon mal einen mehrstelligen Millionenbetrag allein für die Anschaffung der Tonnen. Haben wir nicht andere Haushaltslöcher zu stopfen ? Marode Schulen, kaputte Straßen, kein Geld für Spielplätze, Jugendfreizeit- und Familieneinrichtungen – aber gelbe, für uns völlig überdimensionierte Tonnen ?


Die Staatssekretärin für Klimaschutz um Umwelt, Britta Behrendt, begründete in der Abendschau am 15. Mai die Abschaffung des Gelben Sacks so: Die Mülltrennung werde mit der Wertstofftonne umweltfreundlicher. „Dank der Wertstofftonne macht Berlin Schluss mit zerrissenen Gelben Säcken und stoppt die damit verbundene Plastikverschmutzung unserer Stadt. Sie erleichtert es außerdem, auch schwerere Abfälle ins Recycling zu geben.“ Der Tagesspiegel jauchzt: „Waschbär, Füchse und Krähen müssen sich künftig woanders Futter suchen.“ Das Argument ist einfach lachhaft. Waschbären gibt es bei uns – zum Glück – nicht. Füchse, Krähen und Elstern schon. In den ganzen Jahren ist es genau einmal vorgekommen, dass sie einen Sack geplündert haben – da habe ich ohne jedes Tamtam den Müll wieder eingesammelt und einen neuen Sack befüllt. Wir legen allerdings die Säcke auch nicht - so wie einige andere Zeitgenossen - drei Tage im voraus vor die Tür, sondern wir hängen sie am Abholtag morgens an den Gartenzaun, das minimiert die Vogelattacken und Füchse wie Waschbären sind am Tage eher selten unterwegs. Schwerere Abfälle fallen bei uns so gut wie nie an, und wenn doch - die Schrottabholung kommt alle Nase lang vorbei.


Die Berliner Morgenpost nennt ein zweites Argument: Durch den Wegfall der Säcke sollen künftig Ressourcen eingespart werden. Mit der Umstellung von „Einweg“- auf „Mehrweg“ werde die zu produzierende Menge an Tüten reduziert. So kann man sich auch in die Tasche lügen. Glaubt man tatsächlich, dass jetzt die Berliner wegen jedem einzelnen Joghurtbecher zur Wertstofftonne rennen ? Nein, sie werden – wenn sie denn gutwillig sind - wie bisher im Haushalt die recycelbaren Wertstoffe in einer Plastiktüte sammeln und wenn diese voll ist, sie in die große Tonne werfen, schon aus hygienischen Gründen und um Verschmutzungen zu vermeiden. Allerdings darf man jetzt diese Tüten selbst finanzieren. Wenn die Berliner dann überhaupt noch Müll trennen und nicht gleich alles in den Hausmüll werfen, weil sie es einfach leid sind, jetzt auch noch eine 240 Liter Tonne bewegen zu müssen. Wir füllen normalerweise in 14 Tagen einen gelben Sack, und den auch nicht randvoll. Das sind vielleicht 40 Liter. Und jetzt bekommen wir eine 240 Liter Tonne, doppelt so groß wie unsere Restmülltonne. Toll. Wie berichtet wurde, können alte Tonnen nicht mehr verwendet werden und müssen entsorgt werden. Aus versicherungstechnischen Gründen, wie es heißt. Kleinere Tonnen gibt es auch nicht.


250 Tausend Tonnen nehmen den Platz von rund 107 Tausend Quadratmetern ein – das ist jetzt zusätzlich versiegelte Fläche ! Da wo diese Tonne steht, wächst nichts mehr. Das weiß ich aus Erfahrung, denn bei uns stehen schon zwei. Eine dritte Tonne passt da nicht hin – also muss sie dort stehen, wo heute Rasen wächst. Das ist doch mal ein Thema für NABU und Grüne Liga, die machen sich doch sonst so für die Entsiegelung der Straßenflächen in Berlin stark. Im Gräfekiez werden gerade mit großem medialen Getöse 560 (!) Quadratmeter entsiegelt. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass einige Berliner die Tonne gleich ungenutzt vor der Tür stehen lassen – da verschandelt sie dann die Straße und ist neben den Rollern und Scootern noch eine zusätzliche Stolperfalle.


Normalerweise sollte man vor jeder Investition eine Wirtschaftlichkeitsrechnung machen. Mit meinen – zugegebenermaßen geschätzten – Kosten komme ich auf folgende Zahlen: Die Anschaffung von 250 Tausend neue Tonnen kostet mindestens 17 Millionen Euro. Wenn 250 Tausend Haushalte im Schnitt einen Gelben Sack pro Woche füllen – das ist doppelt so viel, wie wir verbrauchen - und ein Sack in der Herstellung 5 Cent kostet, dann kosten all diese Säcke im Jahr rund 650 Tausend Euro. Die Anschaffung der Tonnen hat sich also für die Klein-Haushalte erst nach 26 Jahren amortisiert. Dass auch mal Ersatztonnen fällig werden, lassen wir mal großzügig unter den Tisch fallen. Es ist auch höchst unwahrscheinlich, dass jetzt weniger Plastiktüten anfallen, da die Monster-Tonnen für den Alltagsgebrauch eines kleinen Haushalts einfach nicht praktikabel sind.


Hat eigentlich mal jemand ausgerechnet, wieviel Zeit Alba und die BSR in Zukunft brauchen, 250 Tausend Tonnen zu leeren, anstatt einfach die Gelben Säcke in das Fahrzeug zu werfen ? Ich habe es gestoppt: Unser Nachbar hat eine Orange Tonne. Tonne zum Fahrzeug fahren, einklinken, leeren, ausklinken und wieder zurück stellen sind 20 Sekunden oder mehr. Unsere Säcke vom Zaun zu nehmen und in den Wagen zu werfen – quasi im Vorbeigehen – sind 2 Sekunden. Dafür hält das Auto nicht einmal an. Die Leerung von 250 Tausend neuen Tonnen erfordert damit einen zusätzlichen Zeitaufwand von 1250 Stunden – alle 14 Tage wieder. Das sind pro Arbeitstag 125 Stunden. Alba und die BSR werden 15 zusätzliche Müllfahrzeuge mit Personal brauchen, um das größere Arbeitspensum zu bewältigen. Wenn denn die Berliner ihre zu 10% gefüllten Tonnen überhaupt vor die Tür stellen und nicht gleich alles in des Rest-Müll wandert. Man fragt sich unwillkürlich: Ist genau das gewollt ? Weniger Mülltrennung anstatt mehr ?


Damit wir uns nicht missverstehen – dort, wo viele Wertstoffe anfallen, da gehört die Tonne auch hin. Für die Klein-Haushalte ist sie schlichtweg zu teuer, unpraktikabel und unterm Strich eine Umweltbelastung statt -entlastung. Was aber keiner zugeben will – Hauptsache, das Klimaschutz-Narrativ wird bedient. Und Politik und Medien liefern wie immer die perfekte Begleitmusik dafür, warum große Tonnen besser sind als Gelbe Säcke. Schilda lässt grüßen !

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