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  • Claudia Keusch

Der Gardasee – erst ausgetrocknet, jetzt übergelaufen

„Denken mit Zahlen sollte endlich Teil der Allgemeinbildung werden“ – auch für selbsternannte Faktenchecker





Kann sich noch jemand an die Gardasee-Schlagzeilen vom April des letzten Jahres erinnern?

„Der Gardasee trocknet aus“ (Focus)

„Wasserstand hat sich halbiert“ (Merkur)

„Nur noch zu 38 Prozent gefüllt‟ (Stern)

„Das größte Wasserreservoir Italiens, ist bei nur noch 35 Prozent seiner Speicherkapazität angelangt.“ (Redaktionsnetzwerk Deutschland)

Die Massenmedien überboten sich mit den unsinnigsten Schlagzeilen und offenbarten dabei – wie so häufig – einen eklatanten Mangel an journalistischer Sorgfalt und nebenbei auch ihre Unkenntnis der elementaren Grundrechenarten.

Die Wissenschaftler meldeten sich zuhauf, ob mit spöttischen Bemerkungen in den sozialen Medien, ob in Blog-Kommentaren (wie auch auf unserer Website https://www.keusch-reisezeiten.de/post/2023-04-kolumne-framing) oder ob mit offiziellen Statements, die es allerdings bestenfalls in das Kleingedruckte der Mainstream-Medien schafften. Das RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung urteilte: „Viele Medien warnen uns vor Fake-News. Manche produzieren diese allerdings gleich selbst, ohne es zu bemerken. Denken mit Zahlen sollte endlich Teil der Allgemeinbildung werden.‟ (https://www.rwi-essen.de/presse/wissenschaftskommunikation/pressemitteilungen/detail/der-gardasee-ist-halb-leer)

Die alarmistischen Schlagzeilen haben Methode. Sie dienen genau einem Ziel, das Narrativ vom nahenden Klimakollaps in Europa zu bedienen. Auch im letzten regenreichen Sommer wurde die These von der angeblichen Dürre-Katastrophe in Deutschland aufrechterhalten und von selbsternannten Faktencheckern fleißig weiter befeuert. Noch im August 2023 „argumentierte“ die staatlich finanzierten Recherche-Plattform Correctiv „Warum Deutschlands Boden trotz Regenwetter im Juli von Dürre betroffen ist“. Und wie so häufig, hatte auch dieser Artikel mit Fakten wenig zu tun. Er beruft sich auf Daten des Helmholtz-Dürremonitors und stellt diese zunächst als „echte Messungen“ dar. Erst als mehrere Autoren Correctiv der Falschaussage bezichtigen, fühlt man sich dort bemüßigt, den Beitrag zu korrigieren. Dem Helmholtz-Dürremonitor muss man zugutehalten, dass er klar seine „Daten“ als Simulationen kennzeichnet und die Simulationsmethoden offenlegt. Aber um Fakten geht es in der Klima-Debatte ja nicht. Es geht um Schlagzeilen und Hysterie, und auch Wissenschaftler beteiligen sich leider daran. Im Juni kam Fred Hattermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) zu der völlig absurden Aussage „Um das Wasserdefizit im Boden wieder aufzubessern, müsse es ein gesamtes Jahr durchregnen“.



Niederschlagssumme in den Wintermonaten 1882 bis 2023 verglichen mit 1980 bis 2023


Im Januar 2024 sind die üppigen Regenfälle des letzten Jahres nicht mehr wegzudiskutieren, also wird ein kleiner Schwenk in der Argumentation vorgenommen: Mehrere Medien wie die Süddeutsche Zeitung und die Frankfurter Rundschau titulieren jetzt: „Klimakrise: Die Winter werden immer nässer“. Werden sie das tatsächlich? Man kann sich die Statistiken schnell selbst zusammenstellen, die Daten finden sich auf der Website des Deutschen Wetterdienstes, sogar mit den entsprechenden Grafiken. Tatsächlich haben die Niederschläge in den Wintermonaten Dezember bis Februar seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1882 zugenommen, allerdings ist in den letzten 70 Jahren der Trend fallend. Auch die Aussage, dass Extremwetterereignisse an Anzahl und Intensität zugenommen haben, ist falsch. Wenn man die Tage mit Starkregen analysiert, egal ob man als „extrem“ eine Menge von 10, 20, 35 oder 50 Litern pro Quadratmeter ansieht, in allen Kategorien hat die Regenmenge von 1980 bis 2023 laut den Stationswerten des Deutschen Wetterdienstes abgenommen. Correktiv Faktencheck – Fehlanzeige!

Immerhin, der Leiter des Dürremonitors beim Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig, Andreas Marx, hat Entwarnung gegeben und den Dürre-Apologeten eine klare Absage erteilt: „Die Dürre hat sich aufgelöst, das ist deutschlandweit eigentlich kein Problem mehr“. Und er hat die Situation auch zum Anlass genommen, den Dürremonitor und sein eigenes Modell zur Berechnung der Bodenfeuchte zu überprüfen. Es fiel dabei auf, dass es einige Fehlerquellen gab, unter anderem habe eine Station in Hannover-Langenhagen die Niederschlagsmenge systematisch als zu niedrig erfasst. Während Gärten und Felder patschnass waren, wurde in Hannover immer noch Dürre angezeigt.


Der European Drought Monitor im Februar 2024 verglichen mit dem Februar 2023

Weiß= Keine Trockenheit, Rot= Alert, Orange= Warning, Blau=Recovery


Wer sich einen europaweiten Überblick über Temperaturen und Niederschläge verschaffen möchte, der wird bei der Europäischen Dürrebeobachtungsstelle fündig, die den European Drought Monitor herausgibt (https://edo.jrc.ec.europa.eu/edov2/php/index.php?id=1111). Nur sehr wenige Gebiete im Osten Spaniens und im Süden Siziliens sind im „Alarm“-Zustand („Alert“), weitaus mehr Gebiete befinden sich in der Erholungsphase („Recovery“) und fast ganz Mittel- und Osteuropa sind im Normal-Zustand. Aber ein Normal-Zustand macht eben keine Schlagzeilen, und so werden unsere Massenmedien – jede Wette – auch im nächsten Monat wieder eine noch so kleine Abweichung von einer angeblichen Norm wieder zur nächsten Klimakatastrophe hochstilisieren.


Pegelstände des Gardasees im Vergleich: Rot= Aktuelles Jahr, Orange= Jahr 2023

Pegelstände des Gardasees im Vergleich: Rot= Aktuelles Jahr, Orange= Jahr 2023

Was habe ich gerade kürzlich gelesen: „Jetzt läuft der Gardasee über“ (Merkur). Liebe Zeitungsmacher! Schaut mal in den Atlas. Der Gardasee kann nicht überlaufen. Er ist keine Badewanne und auch keine Talsperre. Er hat einen Abfluss bei Peschiera, und der ist bestens reguliert. Schon ein kurzer Blick auf die Pegelstände des Gardasees zeigt: Weder war das Jahr 2023 mit seinem anfänglich niedrigen Pegelstand einzigartig – eine ähnliche Pegelkurve gab es auch im Jahr 2008 – noch gibt der Wasserstand am Anfang des Jahres 2024 Anlass für Alarmismus. Ich bin schon sehr gespannt, für welche Schlagzeile der Gardasee im nächsten Jahr herhalten muss. Vielleicht „Gardasee jetzt grün“ oder „Gardasee ausgelaufen“? Vielleicht sollte ein Journalisten-Wettbewerb „Schöner Kiffen mit Karl Lauterbach“ um die absurdeste Schlagzeile des Jahres ins Leben gerufen werden.

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