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  • Ronald Keusch

Bergsteigen in unberührter Natur

Interview mit Alexios Passalidis,

Chef und Eigentümer der Reiseagentur Elbrus-Erlebnisreisen




Sonnenaufgang am Sturmlager am Nordhang des Elbrus in 3850m Höhe
 Sonnenaufgang am Sturmlager am Nordhang des Elbrus in 3850m Höhe


Als wir vor einem Jahr ein Gespräch führten - da kamen wir gerade von einer gemeinsamen Informations-Reise aus Zentralasien zurück - stellte ich Dir, dem Bergsteiger und Reiseprofi, als erstes eine Frage, die sich heute wieder aufdrängt. Von welchem Berg-Gipfel kommst Du gerade?

Alexios Ich bin vor zwei Wochen vom Elbrus gekommen und war dort mit einer kleinen Gruppe deutscher Touristen unterwegs. Der Berg ist schon seit langem ein begehrtes Ziel der Bergsteiger. Es ist mit 5.642 Metern der höchste Berg in Europa. Mit dem Elbrus ist auch die Entwicklung des Alpinismus verbunden.

Alexios Passalidis (mi.) mit deutschen Touristen am Elbrus im September 2023

Der berühmteste Bergsteiger des 19. Jahrhunderts, der Gründer des Londoner Bergsteiger-Clubs Douglas Freshfield, kam in den Kaukasus, um den höchsten Berg Europas zu besteigen. Das gelang ihm auch als erstem ausländischen Bergsteiger, aber er war nicht der erste Bezwinger des Berges. Schon 1829, also 39 Jahre früher, war eine russische Expedition mit dem einheimischen Jäger Kilar Chatschirow auf dem Elbrus. Später gehörten zu den ersten Bergsteigern Sportstudenten aus Tbilissi. Sie läuteten die Geburtsstunden des sowjetischen Alpinismus ein.


Hat sich der Elbrus sein Image als attraktives Ziel des Bergsteigens erhalten?

Alexios Auf jeden Fall. Und ich habe für mein Reise-Unternehmen den Namen Elbrus gewählt. Der Aufstieg auf den Elbrus ist mittlerweile hervorragend erschlossen, vor allem von der Südseite des Berges. Da gibt es eine gute Infrastruktur mit Hotels, Seilbahnen und Hütten an der Piste. Es wurde ein großes Bergsteiger-Zentrum aufgebaut und im Prinzip erfolgen 99 Prozent der Besteigungen von der Südseite. Nur einige wenige sportlich ausgerichtete Gruppen nehmen den Elbrus von der Nordseite in Angriff. Dazu gehören traditionell meine Gruppen.


Du wolltest Deinen Teilnehmern etwas anderes bieten…

Alexios Mein erster Aufstieg auf der Nordseite war im Jahr 1989, da existierte die Sowjetunion noch. Ich war ganz und gar fasziniert, weil sich hier der Elbrus noch so präsentierte wie vor 200 oder 300 Jahren. Die Natur war unberührt, es existierten keine Pfade, keine Spuren von Menschen. Später in Deutschland, als ich mich entschieden hatte, als Reiseveranstalter zu arbeiten und in Potsdam eine Ausbildung als Reiseverkehrskaufmann absolvierte, war mir die Nordseite des Elbrus immer in Erinnerung geblieben. Für mich war sofort klar: Mein Haupt-Programm für die Touristen ist die Besteigung des Elbrus – nur von der Nordseite. Und deshalb ist der Elbrus auch im Namen meiner Firma festgeschrieben.


Aber der Elbrus ist nicht Dein einziges Ziel für das Bergsteigen?

Alexios Beim Start meines Unternehmens wollte ich tatsächlich nur Touren auf den Elbrus organisieren. Aber ich habe mittlerweile ein großes Stammpublikum. Und die wollten dann mit mir auch andere Berge kennenlernen und besteigen. So erweiterte ich mein Programm auf den Pamir, der mit dem Pik Lenin einen der bekanntesten 7000er Berge besitzt. Und es folgten Ziele im Altaigebirge, zum Baikalsee und nach Kamtschatka, das Land von Feuer und Eis mit seinen Vulkanen.


Auf dem Weg zum Basislager auf der Emmanuel-Wiese am Fuß des Elbrus
Auf dem Weg zum Basislager auf der Emmanuel-Wiese am Fuß des Elbrus

Schränkt die Konzentration der Besteigung nur über die Nordseite des Elbrus die Zahl der Interessenten stark ein?

Alexios Die Erwartung von unberührter Natur und fehlender Infrastruktur - das hat auch mein Publikum fasziniert. Vor zehn Jahren noch brauchte man bei der Anfahrt zum Berg, das sind rund 120 Kilometer, mit Allrad-Autos sechs bis sieben Stunden, denn es gab dort praktisch keine Straßen. Man musste alles mitführen, Zelte und Verpflegung.

Heute ist es bequemer, es gibt eine asphaltierte Straße und jetzt auch stationäre Lager, die eine einfache Unterkunft und Essen bieten. Aber es gibt immer noch keine Seilbahnen, Pisten-Raupen oder komfortable Hotels, so ist die Nordseite bisher vom Massentourismus verschont geblieben, und die Besteigung ist auch immer noch eine sportliche Herausforderung, verglichen mit der Südseite.

Wir haben bei unseren Expeditionen eine Erfolgsquote von 98 Prozent. Unsere Quote ist damit viel höher als die bei Besteigungen von der Südseite. Unsere Vorbereitung ist auch besser, weil wir uns vor der Gipfelbesteigung mehr als zwei Wochen in den Bergen aufhalten, das ist die optimale Akklimatisierung.


Wie lange arbeitest Du mit Deiner Agentur?

Alexios Seit 2002, also jetzt mehr als 20 Jahre.


In Deiner Agentur organisierst Du heute in einer politisch angespannten Situation weiterhin Wander- und Bergsteigerreisen. Wie mussten Deine Reiseangebote sich verändern?

Alexios Nach den großen Einschränkungen durch die Maßnahmen um die Corona-Pandemie gab es für mich einen neuen guten Start. Es erfolgten viele Buchungen für Elbrus, Kamtschatka und den Baikal. Aber durch den Ukraine-Konflikt brachen zunächst alle geplanten Vorhaben wieder buchstäblich über Nacht zusammen. Ich musste für meine Reisefirma ein neues Profil entwickeln. Die Reisen für Bergsteiger, für Trekking und Skitouren sind geblieben. Aber es gibt jetzt weitere Länder im Angebot mit der Türkei, Kirgisien, Armenien, Tadschikistan und Usbekistan. Außerdem habe ich im vorigen Jahr neue Programme aufgestellt.


Hat sich in den letzten Jahren bei den Buchungen etwas verändert?

Alexios Die meisten Buchungen kommen von den Stammkunden meiner Agentur oder durch Empfehlungen von Freunden und Bekannten, also durch die Mund-zu-Mund Werbung. Die Nachfrage nach Elbrus-Touren ist nach wie vor da. Es freut mich auch, dass im nächsten Jahr im September wieder eine Touristen-Gruppe von mindestens sechs Teilnehmern mit mir den Elbrus besteigt, acht Teilnehmer ist das Maximum. Deshalb wird es möglicherweise noch einen weiteren Termin im Juni 2024 geben.


Der Doppelgipfel des Elbrus
Der Doppelgipfel des Elbrus

Was ist den Teilnehmern Deiner Reiseprogramme besonders wichtig?

Alexios Das ist mein Konzept mit seiner maximalen Nähe zur Natur. Unsere Gruppe schläft in Zelten oder in Hütten in kleinen stationären Lagern. Wir machen alles aus eigener Kraft, gehen völlig selbständig bis zum Gipfel. Ohne Träger. Das ist eine sportliche Besteigung des Elbrus mit maximaler Naturnähe. Zweitens pflege ich immer gute Beziehungen zu den Einheimischen, daraus entstehen auch Kontakte über die Zeit der Reise hinaus.


Schildere bitte kurz für uns Laien den Ablauf einer Bergsteiger-Tour. Welche Vorbereitungen sind zunächst von den Teilnehmern und von Dir zu treffen? Was gehört zur Standardausrüstung?

Alexios Die wichtigste Voraussetzung ist eine gute Kondition. Die meisten Teilnehmer meiner Touren waren schon in den Bergen, haben zum Beispiel in den Alpen Hüttenwanderungen absolviert. Sie besitzen dann auch die richtige Ausrüstung an Bekleidung und Schuhen. Am Gipfeltag sind auch Steigeisen erforderlich, man braucht einen Sicherungsgurt, weil unsere Tour an Spalten vorbeiführt, dann Eispickel, der Umgang damit ist schnell erlernt und die Gehstöcke. Das ist schon alles. Also es ist keine besondere teure Ausrüstung nötig.


Und was ist für die Übernachtung beim Berganstieg angesagt?

Alexios Wir schlafen in der Hütte, die ist nicht beheizt und wir brauchen einen guten Schlafsack. Aber diese einfachen Quartiere sind bewirtschaftet, das Essen wird dort drei Mal am Tag zubereitet.


Und wie läuft die Bergbesteigung ab. Hast Du einen Kompass oder eine Karte?

Alexios Ich war auf dem Elbrus bestimmt mehr als zweihundert Mal, zumeist mit einer Besteigung vom Norden her. Deshalb kenne ich mich dort gut aus. Ich brauche keine Karte. Aber der Elbrus ist bekannt und gefürchtet für den kurzfristigen Umschlag des Wetters. Für diesen Fall habe ich immer ein GPS-Gerät zur Positionsbestimmung mit dabei, in dem unsere Route gespeichert ist. Wenn bei schlechtem Wetter keine Sicht besteht, kann ich der Bergwacht meine Position mitteilen und bei schlechter Sicht mit der Gruppe die Route mit GPS und Gefühl weiterverfolgen. Aber das ist nur für einen Extremfall gedacht.

Auf dem Gipfel des Elbrus am 15. September 2023

Wie sieht es auf dem Gipfel des Elbrus aus? Gibt es ein Gipfelkreuz oder ein Gipfelbuch?

Alexios Leider ist es im Kaukasus nicht so entwickelt wie auf den Gipfeln der Alpen. Kreuze gibt es hier nicht, weil die einheimische Bevölkerung überwiegend Moslems sind und außerdem das Bergsteigen zu Zeiten der Sowjetunion betrieben wurde. Auf dem Elbrus steht eine steinerne Gipfelpyramide. Der Gipfel ist sehr großflächig, von einem zum anderen Gipfel-Rand geht man etwa 15 Minuten. Außerdem ist am südlichen Rand eine Gipfelpyramide aus Stahl aufgestellt. Hier hat man eine gute Sicht auf den Hauptkamm des Kaukasus. Auf dem Gipfel ist deutlich der Kraterrand mit einer leichten Senkung in der Mitte zu erkennen. Der Elbrus ist ein „schlafender“ Vulkan.


Bist Du auch schon anderen Bergsteigern bei den Touren begegnet? Wie läuft das ab? Kurzer Gruß oder Small Talk?

Alexios Wenn viele Bergsteiger auf der leichteren Südseite unterwegs sind, können in der Saison auch schon mal mehr als einhundert Bergsteiger auf dem Gipfel sein. Auf der Nordseite sind im oberen Lager auf einer Höhe von 3800 Metern nur wenige Bergsteiger anzutreffen. Da kommt dann schnell ein Gespräch zustande. Wer seid ihr, woher komm ihr. Vor wenigen Wochen waren die russischen Bergsteiger ganz begeistert, dass deutsche Bergsteiger nach Russland kommen und auf den Elbrus steigen und haben uns dazu gratuliert. „Ihr seid tapfere Leute“, hieß es.


Wo liegen heute die größten Hindernisse bei dem Bergsteigen-Tourismus, den Du betreibst, beispielsweise nach Russland in den Elbrus? Wie läuft es mit der Visa-Erteilungen in den Ländern? Wo sind die Barrieren?

Alexios Es gibt keine Barrieren bei den Visa. Eher umgekehrt, jedes Jahr ist es sogar leichter geworden. Es ist ein elektronisches Visum eingeführt worden. Man braucht nicht mehr den Pass ins Konsulat zu schicken. Man stellt den Visum-Antrag online, erhält dann das Visum online und es kostet insgesamt nur 45 Euro. Die Anreisen sind ein wenig erschwert. Die Flüge gehen über Istanbul, Jerewan, Tbilissi oder Belgrad, sie sind allerdings teurer als in den vergangenen Jahren. Die Möglichkeit, nach Russland in den Kaukasus zu kommen, sind nach wie vor zahlreich.


Elbrus bei Nacht Alexios mit seiner Gruppe im Sturmlager nach der Besteigung

Das ist erst einmal eine gute Nachricht, die sicher nur wenigen bekannt ist. Du bist in einer aus Griechenland stammenden Familie im Kaukasus aufgewachsen und lebst jetzt seit mehr als 20 Jahren in Potsdam. Welche Chancen siehst Du für Deine Art von Tourismus in nächster Zukunft?

Alexios Zuallererst entwickele ich jetzt alternative Programme für Bergsteiger und Bergwanderer in Georgien, Armenien, Kirgisien, Usbekistan und Tadschikistan. In diesen Ländern sprechen alle auch russisch und das ist mein Vorteil. Außerdem habe ich über viele Jahre schon Kontakte geknüpft und erhalte von dort auch Angebote. Zweitens ist Russland für Wandern und Bergsteigen viel zu attraktiv, um es von Europa abzuschneiden. Auch in der Gegenwart mit seinen Krisen gibt es in Deutschland einige Interessenten, die auf dem Elbrus Bergsteigen wollen, aber auch die russische Kultur kennen lernen möchten. Und das kann man nicht nur in Moskau oder Sankt Petersburg. Im Februar reise ich mit einer Gruppe zum Trekking an den Baikalsee.


Auf Exkursion in Pjatigorsk
Auf Exkursion in Pjatigorsk

Hättest Du auch Ambitionen, mit deutschen Touristen, die keine Wander- und Kletter-Fans sind, zur Weltkulturstadt Sankt Petersburg zu reisen?

Alexios Für mich wäre das kein Problem. Aber gegenwärtig boomt der Inland-Tourismus in Russland. Die Hotels sind voll ausgebucht. In meiner Heimatstadt Pjatigorsk am Fuß des Elbrus, einer Kurstadt mit 140.000 Einwohnern, gab es im Sommer keine freien Hotelplätze. Ähnlich ist die Situation in Sankt Petersburg und Moskau. Die Gruppe, die mit mir im Februar nächsten Jahres zum Baikalsee unterwegs ist, macht auch kurz in Moskau Station mit einer Stadtrundfahrt, ehe wir weiter nach Irkutsk zum Baikal fliegen.


Vor wenigen Wochen tagte die 16. Vollversammlung der UNWTO in Samarkand. Dieser Einrichtung der UNO gehören 159 Ländern an. Die teilnehmenden Länder sehen im Reisen einen Beitrag zur Verständigung der Völker, gerade in Krisen und Kriegszeiten auf der Welt. Wie ist Deine Meinung dazu?

Alexios Gerade in solchen komplizierten Zeiten wie heute ist es wichtig, dass die Menschen in politisch unterschiedlich geprägten Ländern miteinander sprechen und ihre Meinungen austauschen. Das ist auch ein Weg, um zum Frieden zu kommen und Verständigungen zu erreichen. Früher oder später sind diese wahnsinnigen Ereignisse rund um die Ukraine beendet und die Menschen werden auch wieder nach Russland reisen. Ich habe mir persönlich die Aufgabe gestellt, mit meiner Reise-Agentur zu überleben, bis diese Zeit der Normalisierung des Tourismus mit Russland wieder erreicht ist.



Auf dem Eis des Baikalsees im Winter
Auf dem Eis des Baikalsees im Winter

Welche Reiseziele würdest Du denn in Russland außer den genannten Highlights Moskau und Sankt Petersburg besonders neugierigen deutschen Urlaubern empfehlen?

Alexios Eine Standardantwort von Tourismusleuten würde sicher lauten Sotschi am Schwarzen Meer. Ich nenne Irkutsk als ein Tor zum Baikalsee.

Eisangeln auf dem Baikalsee
Alexios beim Eisangeln auf dem Baikalsee

Der See wird als eines der sieben Wunder in Russland eingestuft. Doch Irkutsk ist mehr, ist auch eine Kulturstadt, die Stadt wurde als das „Paris Sibiriens“ bezeichnet. Sie wurde maßgeblich geprägt auch durch die Dekabristen, eine Gruppe von Adligen, die im 19. Jahrhundert des zaristischen Russlands nach Sibirien verbannt wurden. Und dann entstand hier durch sie ein kulturelles Zentrum mit wunderschöner Architektur.



Dann steht Irkutsk sicher auch auf dem Programm des Baikalsees?

Alexios Es ist ein Prinzip aller meiner organsierten Reisen. Das Thema Kultur spielt immer eine Rolle mit Denkmälern und Kathedralen und Museen, die die Geschichte der Stadt oder der Region erzählen. Das gehört auch bei sportlich aktivem Urlaub am Baikalsee unbedingt immer dazu.


Am Baikalsee im Winter




Fotos: Alexios Passalidis

 

Website von Elbrus Erlebnis Reisen: https://elbrus-reisen.de/

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