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Wenn Drohnen Landwirtschaft betreiben

Ronald Keusch

Das große Motto der FRUIT LOGISTICA 2025 lautet: Zukunftsweisende intelligente Landwirtschaft mit wegweisenden Innovationen

 


Maskottchen der FRUIT LOGISTICA 2025   © Messe Berlin GmbH

Maskottchen der FRUIT LOGISTICA 2025

Berlin ist wieder der Treffpunkt für den globalen Fruchthandel. Hier versammelt sich seit vielen Jahren die gesamte Wertschöpfungskette für frisches Obst und Gemüse. Vom 5. bis 7. Februar 2025 trafen sich die führende Branchenakteure und Innovatoren, um zu zeigen, wie digitale Technologien den Anbau, die Qualitätskontrolle und den Vertrieb von frischem Obst und Gemüse verändern werden. Mit über 2.600 Ausstellern aus mehr als 90 Ländern kann die Veranstaltung ihr Image als einer der einflussreichsten Treffpunkte des Jahres für den globalen Fruchthandel bestätigen.


Impressionen vom Stand Frankreichs © Messe Berlin GmbH

Die diesjährige Veranstaltung in 26 Messehallen hat eine große Zahl von Ausstellern aus Italien, den Niederlanden, Spanien, Deutschland und Frankreich angezogen.

Italien bildet mit mehr als 400 Ausstellern eine eigene Messe innerhalb der FRUIT LOGISTICA. Die Präsenz Chinas ist um ein Drittel gewachsen. Für Fachbesucher bieten die Veranstaltung in Berlin eine günstige Gelegenheit, die neuesten Fortschritte in der Agrartechnologie zu erleben. Im Unterschied zur Grünen Woche muss allerdings das interessierte Publikum draußen bleiben.

Die erste Geige wird im Ausstellungsbereich Smart Agri in Halle 3.1 gespielt. Hier präsentiert sich eine bunte Palette neuer Entwicklungen: KI-Technologien zur Schätzung von Obsterträgen, Software für Farmmanagement und Qualitätskontrolle, nachhaltige und präzise Bewässerungslösungen, datengesteuerte Präzisionsbestäubung, Drohnen, die die Landwirtschaft revolutionieren, und vieles mehr. Zu weiteren Themen zählen die Verbesserung der Qualitätskontrolle von Obst mit nicht-invasiven Technologien, die Nutzung von KI für das Gewächshausmanagement und die Rückverfolgbarkeit von Produkten. Schließlich mündet dieses Themen-Programm in ausführliche Diskussionen über die Zukunft der Landwirtschaft unter kontrollierten Bedingungen und über bahnbrechende Innovationen zur Verlängerung der Haltbarkeitsdauer.


Impressionen aus der Italienischen Halle  © Ronald Keusch Aussteller aus Sichuan in China  © Messe Berlin GmbH




European Statistics Handbook

Deutschland kann sich nicht selbst versorgen

Bei so viel Innovativem kann sogar manchen langjährigen Obst- und Gemüsebauern leicht schwindlig werden. Vor allem auch dann, wenn sie aus deutschen Landen kommen und einen tiefen Blick in die Zahlen und Fakten zur Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland werfen.

Das Situationsbild der deutschen Obst- und Gemüseproduktion kann, wie schon in den vergangenen Jahren, große Besorgnis auslösen. Die FRUIT LOGISTICA gibt regelmäßig das „European Statistics Handbook“ heraus, eine Sammlung von wichtigen Produktionsdaten, Import- und Exportinformationen, Markttrends und Handelsstrukturen des Handels mit frischem Obst und Gemüse in Europa.


Handelsbilanz Deutschland Obst und Gemüse

Und die Faktenlage ist ernüchternd: Deutschland ist mit Abstand der größte Importeur von Obst und Gemüse in der EU. Die Handelsbilanz ist auch enttäuschend: Die Exportzahlen weisen 1,2 Mrd. Euro aus, dem stehen Importe von 14 Mrd. Euro gegenüber. Kein anderes Land in ganz Europa hat eine solch verheerende negative Handelsbilanz – sie beträgt 0,31% des gesamten Brutto-Inlands-Produktes.


Und gleichzeitig hat Deutschland Abstand die geringste landwirtschaftliche Produktion: Deutschland produzierte im Jahr 2024 nur 60 Kilo an Obst und Gemüse pro Einwohner und Jahr, im Jahr 2023 waren es noch 62 Kilo. Spitzenreiter Spanien und Griechenland produzieren 7- bis 8-mal so viel wie Deutschland, und selbst die in der gleichen Vegetationszone liegenden Nachbarländer Polen, Belgien und Dänemark produzieren 3- bis 6-mal so viel. Nur die nordischen Länder haben auf Grund der ungünstigen klimatischen Bedingungen etwas niedrigere Produktionszahlen.

Produktionsvolumen Deutschland Obst und Gemüse

Das Statistische Handbuch begibt sich auch auf die Suche nach den Ursachen. Auch wenn an erster Stelle das Wetter genannt wird, so ist das nicht die alleinige Erklärung. Klar gab es im Frühjahr 2024 gerade im Osten Deutschlands Spätfröste, die gerade die Obsternte beeinflussten, aber auch andere Länder, wie Spanien und Italien, hatten mit Wetterunbilden wie Überschwemmungen zu tun. Das Statistische Handbuch listet schonungslos auf: Die stark steigenden Betriebskosten, insbesondere Energie und Löhne, den Mangel an Arbeitskräften und die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten, wozu auch die Preise für Obst und Gemüse beigetragen haben. Und es heißt weiter: „Die Verbraucher sind besorgt über die unsichere politische Situation im In- und Ausland, sie spüren eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage und einen Verfall der Infrastruktur. Dies führt zu einer Kaufzurückhaltung.“



Politik gegen die Landwirtschaft

Erheblichen Unmut unter den Obst- und Gemüsebauern in Deutschland gibt es durch politische Vorgaben, den Wegfall von Subventionen für Agrardiesel beispielsweise. Bei Pflanzenschutzmitteln werden immer weniger Wirkstoffe zugelassen, was die Auswahl geringer macht und die Gefahr von Resistenzen erhöht. Hinzu kommen bürokratische Herausforderungen durch die überbordende Regelungswut der EU-Bürokraten, wie die Kennzeichnungspflichten oder das generelle Verbot von Kunststoffverpackungen für Obst und Gemüse ab 2030. Da gleichen sich die Bilder mit der diesjährigen Grünen Woche.

Es ist unverständlich, warum es in Deutschland nicht mehr politischen Willen und Förderung für den Obst- und Gemüseanbau gibt. Allein der Import von Tomaten, Gurken, Paprika, Salat, Zwiebeln, Karotten und Äpfeln – alles Obst- und Gemüsesorten, die in unseren Breiten angebaut werden könnten – macht 35% unseres gesamten Importvolumens aus.

Für den gesamten Obst- und Gemüseanbau werden heute 191.000 Hektar an Fläche benötigt (https://www.bauernverband.de/themendossiers/obst-und-gemuese/themendossier/obst-gemuese-daten-zahlen-fakten). Zum Vergleich dazu: Die Noch-Bundesregierung – so stand es im Koalitionsvertrag – will bis zum Jahr 2030 zwei Prozent der Landfläche für Windräder zur Verfügung stellen, das sind 715.000 Hektar. Es ist höchste Zeit, sich aus der Sackgasse einer verfehlten Energiepolitik heraus zu manövrieren und diese Landflächen – zumindest zu einem Teil – für die Versorgung der eigenen Bevölkerung mit Obst und Gemüse zu nutzen.


Organic Raingrow Avocado  © 2024 Margit Houtman / Eosta BV Der Wirsing-Spitzkohl „Samantha“  © Ronald Keusch



Wettbewerb der klugen Innovationen

Angesichts solcher traurigen Aussichten für die Produktion der Obst- und Gemüsebauern in deutschen Landen bietet das Spektrum der Nominierten für die Innovationspreise der FRUIT LOGISTICA Entspannung, Unterhaltung und Ablenkung.

Nominiert wurde unter anderem eine Bio-Avocado, die ohne künstliche Bewässerung und nur mit Regenwasser auskommt. Sie stammt von der niederländischen Firma Eosta/Nature&More, die weltweit mit über 1.000 Produzenten auf sechs Kontinenten kooperiert. Die Avocado wird in Kenia angebaut und ist die erste, die ohne künstliche Bewässerung und nur mit Regenwasser auskommt. Pro Kilogramm geernteter Avocado werden 800 Liter Trinkwasser eingespart und gleichzeitig erhalten die Arbeiter ein faires Einkommen.

Weiter für den Wettbewerb nominiert wurde der weltweit erste Wirsingkohl mit spitzem Kopf, eine Züchtung der ebenfalls in den Niederlanden ansässigen Firma Bejo Zaden. Der neue Spitzkohl trägt den Namen „Samantha“ und verspricht ein neues Kohl-Erlebnis, leicht süßlich im Geschmack, reich an Ballaststoffen und Vitaminen. Er ist länger haltbar und sorgt dank seines kleineren Ausmaßes für weniger Abfall, was insbesondere von Vorteil ist für kleine Haushalte.


Die preisgekrönte Orange Onix


Die Orange Onix mit Wow-Effekt

Die Fachbesucher der FRUIT LOGISTICA kürten als Sieger des diesjährigen Innovations-Wettbewerbs die Onix-Orange. Die Innovation stammt aus Deutschland und wird von dem spanischen Unternehmen Amfresh vertrieben. Die Orange überzeugt mit Haltbarkeit und Flamboyanz. Die außergewöhnliche Farbe der Schale wechselt von leuchtendem Orange zu tiefem Burgunderrot. Das Fruchtfleisch ist natürlich pigmentiert, saftig, von intensivem Geschmack sowie reich an Antioxidantien und Vitaminen.



Nominiert: Cleveres Drohnen-Erkennungssystem LiDAR

Aber auch neue Technologien kämpfen um den begehrten Award 2025. Zu den ebenfalls fünf Nominierten für den Innovation Award Technology gehören kluge Drohnen mit einem LiDAR-Erkennungssystem aus Ungarn. Sie stammen von dem international aufgestellten Unternehmen ABZ Innovation.


Drohne mit dem LiDAR-Erkennungssystem auf der Messe  © Ronald Keusch

Drohne mit dem LiDAR-Erkennungssystem auf der Messe 

Solche ausgerüsteten Drohnen werden vor allem in Obstplantagen und Weinbergen, aber auch anderen Freilandflächen eingesetzt und sind schon in der Praxis erprobt, wie Verkaufsdirektor Marcel de Graaf unterstreicht. Dank der Echtzeit-3D-Kartierung erkennen die Geräte selbst kleine Hindernisse wie dünne Drähte oder plötzliche Bedrohungen und behalten selbstständig eine dynamische Höhenkontrolle bei. Die Sprühhöhe wird optimiert und auf diese Weise der Einsatz von Wasser (bis zu 80 Prozent) und Chemikalien (bis zu 50 Prozent) reduziert, was Umwelt und Landwirten gleichermaßen zugutekommt.

Während in Asien und Amerika bereits Drohnen in großen Maßen in der Landwirtschaft eingesetzt werden, steht sich Europa bei der Anwendung dieser nachhaltigen Lösung durch viele bürokratische Regeln der EU selbst im Wege.


Drohne L30 in der Luft und Drohne L10   © ABZ Innovation



Preisträger: Bildanalyse für das Gewächshaus

Mehr als die Hälfte der Stimmen, die für den Innovation Award Technology abgegeben wurden, entfielen auf das Unternehmen Fermata Technology aus Zypern. Preisträger ist Croptimus, eine Bildanalysetechnologie basierend auf einer Innovation aus Israel, die es den Landwirten ermöglicht, frühzeitig Krankheiten oder Schädlingsbefall an Gemüse im Gewächshaus zu erkennen. Sie wird als Software-as-a-Service-Lösung angeboten, benötigt also keine zusätzliche Hardware, und kann sowohl mit installierten Kameras als auch mit Smartphone-Bildern arbeiten. Mithilfe fortschrittlichen maschinellen Lernens erkennt das Computer-Vision-System Schädlinge und Krankheiten lange vor menschlicher Beobachtung – und spart den Obst- und Gemüsebauern Zeit und Geld.

 

Selbstverständlich bietet dieses Branchentreffen des Fruchthandels, analog der Grünen Woche, auch eine kleine kulinarische Weltreise, vor allem quer Beet durch das internationale Spektrum von Obst und Gemüse. Da gibt es Früchte, die man eher selten in den hiesigen Supermärkten findet, wie Passions- und Drachenfrüchte, Rambutan, Pitahayas, oder auch violette Kohlrabi und rosa Tomaten.

Auch wenn der Begriff des „Nachhaltigen Denkens und Handelns“ durch die penetrante Wiederholung in Medien und Politik viel zu oft zu einer leeren Propagandaformel verkommen ist, die FRUIT LOGISTICA belegt auch eindeutig, nicht zuletzt mit den Nominierungen und den Preisträgern der Innovationswettbewerbe: Nachhaltige Lösungen, sinnvoll angewendet, können der Natur und den Menschen sehr dienlich sein.

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