Folge der Spur des Geldes
- Ronald Keusch
- 25. Juli
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 26. Juli
Über das Buch „Zur Hölle mit dem Krieg“ von Smedley D. Butler

Wie kann es sein, dass ein Obergefreiter der Bundeswehr (aktueller Verteidigungsminister Boris Pistorius), ein Wehrdienstverweigerer (Lars Klingbeil, Vizekanzler und Bundesvorsitzender der SPD), ein von der Bundeswehr ausgemusterter Rekrutenanwärter (weil nach Anton Hofreiters Selbstaussage sein rechtes Bein vier Zentimeter kürzer ist als das linke) und eine langjährige Mitarbeiterin eines Jugendbuchverlages (Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP-Politikerin und derzeit in der EU Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung), also wie können diese Personen mit ihren Nicht-Erfahrungen und ihrem Nicht-Wissen der deutschen Bevölkerung erklären wollen, was Krieg bedeutet, ja ihr vorschreiben, kriegstüchtig zu werden?
Dabei gibt es wirkliche Militärexperten, mit Erfahrungen im Militärwesen, mit akademischer Exzellenz und sogar mit unmittelbaren Erfahrungen bei kriegerischen Konflikten. Der Widersinn unserer Zeit ist, dass diese in der Öffentlichkeit kaum in Erscheinung treten und zur Meinungsbildung nicht beitragen können. Die Studiotüren der Fernseh- und Rundfunksender sind ihnen weitgehend verschlossen, die Seiten der Zeitungs- und Magazinverlage zumeist versperrt. Gerade bei einem so wichtigen Thema von Krieg und Frieden ist das ein völlig unbefriedigender und unverzeihlicher Zustand.
Immerhin können in Deutschland noch gedruckte Bücher diese große Lücke ausfüllen, wenn auch nur ein wenig. Der FiftyFifty Verlag aus Köln, dessen Bücher im Buchhandel vom Vertrieb des Westend Verlags betreut werden, hat ein Buch herausgebracht, in dem zwei hochdekorierte und anerkannte Generäle ihre Stimme erheben. Der Titel lautet ohne große Umschweife: „Zur Hölle mit dem Krieg!“ Herausgeber des Buches ist der Brigadegeneral a.D. der Bundeswehr Dr. Erich Vad, der Autor ist der General des US-Marine Corps Smedley D. Butler (1881 bis 1940), zweifacher Träger der Medal of Honor. Nach seiner militärisch erfolgreichen Laufbahn wurde er aufgrund seiner Erlebnisse und Erfahrungen zu einem der schärfsten Kritiker des Krieges als Mittel der Konfliktlösung.
In seinem sehr engagierten Vorwort begründet Erich Vad, warum dieses kleine Buch, bereits 1935 im englischen Original „War is a Racket“ (wörtlich übersetzt: Krieg ist ein schmutziges Geschäft) erschienen, auch den heutigen Leser anspricht und ihn bewegt. Zuallererst spricht Vad über den Autor Smedley D. Butler. Er war ein tapferer Mann und wurde in seiner militärischen Laufbahn bis zum Generalsrang mit den höchsten amerikanischen Anerkennungen für Tapferkeit ausgezeichnet. Er gilt als einer der großen Generäle der amerikanischen Geschichte. Er gehörte zu den berühmten, für manchen auch berüchtigten „Ledernacken“, dem US-Marine-Corps, auch die „Marines“ genannt. Durch harte Ausbildung und einen besonderen Korpsgeist zählt diese Formation bis heute zur militärischen Elite der US-Streitkräfte.
Seine Worte haben Gewicht, denn das US-Marine Corps war dort zu finden, wo sich die ‚Hölle des Krieges‘ auftut, durch die diese Männer gehen mussten. Und so erhält das zentrale Anliegen seines Buches, so Herausgeber Vad, eine außerordentliche Autorität. Butler zeigt in seinem Text an vielen Beispielen, dass der Krieg nicht einfach ausbricht, sondern gemacht, vorbereitet und geplant wird. „Der blutige Teil des ‚Geschäftes‘ obliegt in der Regel jungen, einfachen Männern, die millionenfach ihr Leben für Renditen anderer zu Markte tragen und die – wie Butler schreibt – die Rechnungen eines jeden Krieges zu zahlen haben“, so Vad in seinem Vorwort (S.9). Das jüngste Beispiel ist der seit mehr als drei Jahren tobende Ukrainekrieg.
Der Autor General Butler ist ein Mann der klaren Ansagen und der direkten Sprache. Das beginnt schon in seinem ersten Kapitel „Krieg ist Betrug!“ Und so heißt auch sein erster Satz im Buch: „Der Krieg ist ein betrügerisches Verbrechen.“ Um gleich in den folgenden Sätzen sein Urteil noch zu erhärten. „Und das war er schon immer. Möglicherweise ist der Krieg die älteste, mit Sicherheit aber die profitabelste und bösartigste Betrugsmasche überhaupt.“ Und dann wird der Betrug konkret benannt. „Einen Betrug beschreibt man wohl am besten damit, als etwas, das nicht ist, was es zu sein vorgibt… Der Betrug des Krieges wird zum Vorteil weniger auf Kosten vieler betrieben - denn mit ihm machen einige Leute ein riesiges Vermögen“ (S.13). Spätestens bereits auf diesen ersten Seiten könnten dem Leser schon die Höhenflüge der Aktien von Rheinmetall und anderer Rüstungsbetriebe in den Sinn kommen und die hunderte von Milliarden Euro und Dollar, die in den Krieg der NATO gegen Russland fließen. Solche Bezüge zur heutigen Zeit kann der Leser an unzähligen Stellen des Buches herstellen.
Der General belässt es nicht bei allgemeiner Kritik und listet im Kapitel 2 auf: „Wer erzielt die Gewinne?“ Die Antworten gibt er über viele Seiten konkret beginnend bei der Firma du Pont, dem Schießpulver-Produzenten, der Stahlindustrie und vielen anderen Ausrüstern bis hin zu den Bankern. Eine solche Liste der Gewinner wäre sicher auch eine gute Idee für heutige und künftige Kriege, für die Billionen Schulden gemacht werden. Wer ist dabei der Gewinner, wer kassiert? Und mindestens genauso interessant: Wer ist der Verlierer, der zahlt?
Diese Frage behandelt dann das nächste Kapitel: „Wer bezahlt die Rechnungen?“ „Die Banker kassierten ihre Gewinne, aber die Soldaten müssen den größten Teil der Rechnung tragen.“ (S.29) Und wenn sie das nicht glauben, so Butler, besuchen sie die amerikanischen Friedhöfe auf den Kriegsschauplätzen im Ausland oder die Krankenhäuser mit den Kriegs-Veteranen, mit den körperlich zerstörten Männern. So viele haben mit dem Tod ihren Anteil an den Kriegsgewinnen gezahlt. So viele, die körperlich und geistig verwundet wurden, zahlen ihren Anteil immer noch. (S.31) Und der Leser spürt förmlich die Empörung des Kriegsveteranen bei diesen Zeilen: „Sie bezahlten dafür in den Schützengräben, wo sie schossen und erschossen wurden, wo sie tagelang hungerten, wo sie im Schlamm, in der Kälte und im Regen schliefen mit dem Stöhnen und Schreien der Sterbenden im Ohr – einem schrecklichen Schlaflied“ (S.31).
In diesem Kapitel setzt sich der Autor mit der allgemeinen Propaganda auseinander, die die Menschen kriegs- und mordbewusst machen soll. „Schöne Ideale wurden für unsere Jungs gemalt, die in den Tod geschickt wurden. Dies war etwa der ‚Krieg, um Kriege zu beenden‘. Der ‚Krieg, um die Welt für die Demokratie sicher zu machen‘. Niemand sagte ihnen, dass es in Wirklichkeit um Dollar und Cents ging“ (S.33).
Am Schluss seines Buches macht General Butler Vorschläge „Wie man dieses verbrecherische Geschäft des Krieges zerschlägt!“. Das führt ihn zu der Erkenntnis: „Der Krieg kann nur dann wirksam beseitigt werden, wenn durch ihn keine Profite mehr erzielt werden können“ (S.37). Dazu liefert der Autor drei konkrete Vorschläge, die das Kriegs-Geschäft zerschlagen und die auch noch heute durchaus zum Nachdenken anregen.
Erstens: Alle Kriegsprofiteure an die Front! Bevor die jungen Männer die Einberufung erhalten, sollten die Vertreter vom Kapital und der Kriegsindustrie, die Direktoren und Führungskräfte der Rüstungsfabriken einberufen werden, genauso wie die Banker und Spekulanten, mit einem Entgelt von 30 Dollar monatlich, mit genau demselben Lohn, den die Jungs in den Schützengräben bekommen. Man gebe diesen Leuten 30 Tage Zeit, um sich zu entscheiden, und wir werden feststellen, so Butler, „dass es dann keinen Krieg mehr geben würde. Das würde den Krieg zerschlagen – das und nicht anderes.“ (S.38/39) Aber der Autor fügt gleich an, dass er wohl mit diesem Vorschlag zu optimistisch sei.
Sein zweiter Schritt klingt schon realistischer. Eine begrenzte Volksabstimmung durchführen, ob der Krieg überhaupt erklärt werden soll und für die Abstimmung zugelassen werden nur diejenigen, die zum Kämpfen und Sterben herangezogen werden. Seine Begründung ist so einleuchtend wie originell. „Es hätte wenig Sinn, den 76jährigen Präsidenten einer Munitionsfabrik, den plattfüßigen Chef eines internationalen Bankhauses oder den schielenden Manager einer Uniformfabrik – die alle im Kriegsfall enorme Profite vor Augen haben – darüber abstimmen zu lassen, ob die Nation in den Krieg ziehen soll oder nicht.“ Und das Resümee lautet: „Nur diejenigen, die leiden müssen, sollten das Wahlrecht haben“ (S.40).
Sein dritter Vorschlag, um das Kriegswesen zu zerschlagen, hat ebenfalls einen rationalen Kern: Die Streitkräfte sind wirklich nur zur Verteidigung einzusetzen. Die US-Nation kann keinen Angriff und keinen Angriffskrieg beginnen, wenn sich die Schiffe nicht 200 Meilen von der Küste entfernen dürfen. Flugzeugen könnte es erlaubt sein, sich zu Aufklärungszwecken bis zu 500 Meilen von der Küste zu entfernen. Und die Armee sollte niemals die territorialen Grenzen der Nation verlassen (S.42). Leider muss man heute angesichts des Vietnamkrieges der USA vor mehr als 50 Jahren oder der Bombardierung des Iran durch US-Luftstreitkräfte erst vor einem Monat sowie der insgesamt geschätzten 800 im Ausland existierenden US-Militärstützpunkte konstatieren: Die Forderung eines Militäreinsatzes nur zum Zweck der Verteidigung ist eine schöne Illusion.
Einer der Wünsche des Autors richtet sich im letzten Kapitel unter dem Appell „Zur Hölle mit dem Krieg!“ an die Wissenschaftler seines Landes und auf der Welt. Er befürchtet, dass die Menschheit immer wieder Kriegen ausgesetzt sein wird. Über Siege und Niederlagen werden immer mehr die Fähigkeiten und der Einfallsreichtum der Wissenschaft entscheiden. Deshalb formuliert der General am Ende seines Buches die Hoffnung: „Wenn wir ihnen (der Wissenschaft) nützliche Aufgaben übertragen würden, könnten wir alle mit dem Frieden mehr Geld verdienen als mit dem Krieg – sogar die Munitionshersteller. Also… Ich sage: Zur Hölle mit dem Krieg!“ (S.47)
Zum Abschluss zu diesem Thema eine deutsche Stimme.
„Der Krieg ist ein besseres Geschäft als der Friede. Ich habe noch niemanden gekannt, der sich zur Stillung seiner Geldgier auf Erhaltung und Förderung des Friedens geworfen hätte. Die beutegierige Canaille hat von eh und je auf Krieg spekuliert.“ Carl von Ossietzky (am 8. Dezember 1931 in der "Weltbühne")
Auch nach 90 Jahren im Westen nichts Neues.
Smedley D. Butler: Zur Hölle mit dem Krieg!
Mit einem Vorwort von Erich Vad
Fiftyfifty Verlag Köln, erschienen am 10. Juni 2025




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